Lebenshilfe Möglichkeitsdenker
Überblick
Lebenshilfe Möglichkeitsdenker ist ein innovatives Graswurzelprojekt im Bereich der Teilhabe- und Inklusionsförderung, das Menschen mit Beeinträchtigungen als aktiv Gestaltende zivilgesellschaftlichen Engagements in den Mittelpunkt stellt. Der Begriff „Möglichkeitsdenker“ beschreibt dabei eine Haltung, die nicht von Defiziten, sondern von Potenzialen und Möglichkeiten ausgeht.
Gründung und Gründungspersonen
Das Möglichkeitsdenker-Projekt wurde von einer Gruppe engagierter Personen aus Praxis und Wissenschaft initiiert, die gemeinsam neue Wege der inklusiven Teilhabe entwickeln wollten. Als Graswurzelprojekt entstand es nicht top-down durch institutionelle Vorgaben, sondern bottom-up aus der konkreten Praxis und dem persönlichen Engagement der Beteiligten.
Gründungsteam
Armin Herzberger fungierte als zentrale Gründungsperson und Initiator des Projekts. Als Sozialpädagoge mit langjähriger Erfahrung in der Lebenshilfe-Arbeit und späterer akademischer Tätigkeit brachte er die praktische Expertise und theoretische Reflexion zusammen. Herzberger dokumentiert und reflektiert das Projekt sowie seine theoretischen und literarischen Überlegungen zu Inklusion auf seinem persönlichen Blog.
Blog von Armin Herzberger:
Auf seinem Blog veröffentlicht Herzberger unter anderem den bemerkenswerten Essay „Was hat Inklusion mit Rilke zu tun?“, der die Verbindung zwischen literarischer Sensibilität, humanistischer Bildung und inklusiver Pädagogik aufzeigt. Diese Reflexionen verdeutlichen, dass Inklusion nicht nur eine sozialpolitische oder organisatorische Aufgabe ist, sondern auch eine Frage der Haltung, der Wahrnehmung und des menschlichen Miteinanders – Dimensionen, die in der klassischen Literatur oft eindringlich thematisiert werden.
Erika Schmidt war als Person mit eigenem Assistenzbedarf von Beginn an maßgeblich an der Konzeptentwicklung beteiligt. Ihre Perspektive als Expertin in eigener Sache prägte die partizipative Ausrichtung des Projekts entscheidend.
Wolfgang Nollmann und Vanessa Nollmann, beide mit eigenem Assistenzbedarf, waren ebenfalls Gründungsmitglieder und verkörperten von Anfang an den Grundgedanken, dass Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur Zielgruppe, sondern aktive Gestalter*innen des Projekts sind.
Wolfgang Nollmann übernahm darüber hinaus eine besondere Rolle als Referent und Dozent an der Universität Siegen im Studiengang Soziale Arbeit/Sozialpädagogik. In dieser Funktion bringt er seine Erfahrungen und Perspektiven direkt in die Ausbildung künftiger Sozialarbeiter*innen ein und trägt so zur Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung der Studierenden bei. Diese direkte Einbindung eines Menschen mit Assistenzbedarf in die akademische Lehre ist exemplarisch für den Möglichkeitsdenker-Ansatz.
Dr. Angelika Magiros brachte ihre Expertise im Bereich des unterstützten Wohnens und der Beratung ein. Als Mitarbeiterin bei der Lebenshilfe Bundesvereinigung (LHBV) trug sie wesentlich zur fachlichen Fundierung und konzeptionellen Ausarbeitung bei sowie zur Vernetzung mit der bundesweiten Lebenshilfe-Struktur.
Weitere beteiligte Dozentinnen und Expertinnen in eigener Sache
Das Möglichkeitsdenker-Projekt zeichnet sich dadurch aus, dass neben Wolfgang Nollmann weitere Menschen mit Beeinträchtigungen als Dozentinnen und Referentinnen in die akademische Lehre und Weiterbildung eingebunden sind:
Dr. Martin Reichstein ist als Wissenschaftler mit eigener Betroffenheit im Projekt aktiv und bringt seine akademische Expertise sowie seine persönlichen Erfahrungen in Forschung und Lehre ein. Seine Doppelrolle als Wissenschaftler und Mensch mit Beeinträchtigung verkörpert die Überwindung traditioneller Rollenzuschreibungen.
Dr. Miriam Düber und Dr. Hanna Weinbach engagieren sich ebenfalls als Dozentin und Expertin in eigener Sache im Kontext des Projekts. Sie tragen mit ihrer wissenschaftlichen Qualifikation und ihrer persönlichen Perspektive zur Weiterentwicklung inklusiver Hochschuldidaktik bei.
Darüber hinaus sind weitere Betroffene als Dozent*innen in verschiedenen Bildungskontexten aktiv, die ihre Erfahrungen und ihr Wissen weitergeben. Diese Einbindung von Menschen mit Beeinträchtigungen als Lehrende auf Augenhöhe ist ein zentrales Merkmal des Möglichkeitsdenker-Ansatzes und trägt zur Transformation des Bildungssystems bei.
Wissenschaftliche Begleitung
Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch das Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste (ZpE) der Universität Siegen:
Prof. Dr. Albrecht Rohrmann übernahm die wissenschaftliche Leitung und Begleitung des Projekts. Als renommierter Forscher im Bereich der Heilpädagogik und Behindertenhilfe brachte er umfassende Expertise in Fragen der Inklusion, Teilhabe und Sozialraumgestaltung ein.
Prof. Dr. em. Norbert Schwarte (verstorben) war ebenfalls maßgeblich an der wissenschaftlichen Konzeption beteiligt. Seine Arbeiten zur gemeindenahen Psychiatrie und sozialen Integration prägten die theoretischen Grundlagen des Projekts nachhaltig.
03.12.25 HeClki
Weblink zum ZpE:
Charakteristika der Gründungsphase
Die Gründungskonstellation war von Beginn an durch eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gekennzeichnet. Dies spiegelte bereits im Gründungsteam den Paradigmenwechsel wider, den das Projekt anstrebte: Nicht über, sondern mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu denken und zu handeln.
Die enge Verzahnung von Praxiserfahrung (Lebenshilfe-Arbeit) und wissenschaftlicher Reflexion (Universität Siegen) bildete von Anfang an ein Alleinstellungsmerkmal des Projekts.
Als Graswurzelprojekt entwickelte sich die Initiative organisch aus der konkreten Begegnung und dem gemeinsamen Engagement der Beteiligten, ohne auf bestehende institutionelle Strukturen oder Finanzierungen zu warten. Diese Entstehungsweise prägt bis heute die Arbeitsweise und das Selbstverständnis des Projekts.
Die Einbindung mehrerer Menschen mit Beeinträchtigungen als akademische Dozent*innen war von Anfang an konstitutiv für das Projekt und demonstriert praktisch die Möglichkeiten inklusiver Bildung und Wissenschaft.
Entstehungsgeschichte
Das Konzept der Möglichkeitsdenker entwickelte sich im Kontext der deutschen Behindertenhilfe und der Lebenshilfe-Bewegung. Es steht in der Tradition der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die 2009 in Deutschland ratifiziert wurde.
Internationale Inspiration: Lebenshilfe Graz
Wichtige Impulse und Anregungen für das Möglichkeitsdenker-Konzept kamen aus Österreich, insbesondere von der Lebenshilfe Graz. Die österreichische Lebenshilfe-Bewegung entwickelte bereits früh innovative Ansätze der Personenzentrierung und Selbstbestimmung, die als Ideengeber für die deutsche Entwicklung dienten. Der fachliche Austausch zwischen österreichischen und deutschen Lebenshilfe-Organisationen trug wesentlich zur konzeptionellen Weiterentwicklung bei.
Weblink:
Die theoretischen Grundlagen wurzeln in der Capability-Approach-Theorie von Amartya Sen und Martha Nussbaum sowie in der deutschen und österreichischen Sozialpädagogik-Tradition, die Empowerment und Subjektorientierung betont.
Kernkonzepte
Paradigmenwechsel
Das Projekt verkörpert einen Paradigmenwechsel von der traditionellen Fürsorge-Perspektive hin zu einer anerkennungsorientierten Praxis, in der Menschen mit Unterstützungsbedarfen:
- Als Expert*innen in eigener Sache anerkannt werden
- Von Hilfeempfängerinnen zu aktiven Gestalterinnen werden
- Bürgerschaftliches Engagement praktizieren
- Ihre Fähigkeiten und Ressourcen einbringen können
- Als Dozent*innen und Lehrende tätig werden
Zukunftsplanung
Ein zentraler methodischer Ansatz im Möglichkeitsdenker-Projekt ist die personenzentrierte Zukunftsplanung (Person Centered Planning). Diese Methode stellt die Wünsche, Träume und Ziele der Person mit Beeinträchtigung in den Mittelpunkt und entwickelt daraus konkrete Schritte zur Verwirklichung. Zukunftsplanung bedeutet:
- Die eigenen Lebensvorstellungen zu artikulieren
- Unterstützer*innenkreise aufzubauen
- Konkrete Teilhabeziele zu entwickeln
- Ressourcen im Sozialraum zu erschließen
- Selbstbestimmung aktiv zu gestalten
Theoretische Verortung
Das Konzept verbindet verschiedene theoretische Ansätze:
- Sozialraumorientierung: Einbindung in lokale Gemeinwesen
- Community Care: Gegenseitige Unterstützung statt einseitiger Versorgung
- Partizipationsforschung: Inklusive Forschungsmethoden
- Capability Approach: Befähigung zur Verwirklichung von Lebenschancen
- Personenzentrierte Zukunftsplanung: Selbstbestimmte Lebensgestaltung
- Peer-Learning: Lernen von und mit Menschen mit Beeinträchtigungen
Wissenschaftliche Kooperation mit der Universität Siegen
Fakultät für Bildung, Architektur, Künste und ZpE
Eine zentrale Rolle in der wissenschaftlichen Fundierung und Begleitung des Möglichkeitsdenker-Projekts spielt die Universität Siegen, insbesondere die Fakultät für Bildung, Architektur, Künste mit dem Fachbereich Soziale Arbeit und Sozialpädagogik sowie das Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste (ZpE).
Die Zusammenarbeit umfasst:
- Entwicklung theoretischer Grundlagen für inklusives bürgerschaftliches Engagement
- Begleitforschung zu Transformationsprozessen in der Behindertenhilfe
- Konzeption und Durchführung von Lehrveranstaltungen
- Praxisforschung mit partizipativen Methoden
- Transfer zwischen wissenschaftlicher Theorie und sozialpädagogischer Praxis
- Einbindung von Menschen mit Beeinträchtigungen als Lehrende und Referent*innen
Weblinks zur Universität Siegen:
Seminar- und Lehrkonzepte
Im Rahmen der Kooperation entstanden innovative Seminarkonzepte, die Studierende der Sozialen Arbeit mit der Praxis des inklusiven Engagements vertraut machen:
- „Soziale Arbeit mit Menschen mit besonderen persönlichen Lebenslagen“
- „Bürgerschaftliches Engagement und Inklusion“
- „Theorie-Praxis-Transfer in der Sozialpädagogik“
Diese Seminare verbinden theoretische Reflexion mit Praxisbesuchen und ermöglichen direkte Begegnungen zwischen Studierenden und Möglichkeitsdenkern. Besonders hervorzuheben ist die Einbindung mehrerer Dozent*innen mit Beeinträchtigungen im Studiengang Soziale Arbeit/Sozialpädagogik:
- Wolfgang Nollmann als Referent für Fragen der Selbstbestimmung und Teilhabe
- Dr. Martin Reichstein als wissenschaftlicher Dozent
- Dr. Miriam Düber als Expertin für inklusive Bildung
- Weitere Betroffene als Expert*innen in eigener Sache
Durch diese Lehrpraxis lernen Studierende unmittelbar von der Expertise von Menschen mit Assistenzbedarf und erleben praktisch, wie inklusive Hochschullehre gestaltet werden kann.
Inklusion und literarische Bildung
Die Verbindung von Inklusion und humanistischer Bildung wird in den Lehrveranstaltungen thematisch aufgegriffen. Der auf dem Blog von Armin Herzberger veröffentlichte Essay „Was hat Inklusion mit Rilke zu tun?“ dient dabei als Reflexionsgrundlage für die Frage, wie literarische Sensibilität und poetische Wahrnehmung zu einem vertieften Verständnis von Menschenwürde, Anderssein und Teilhabe beitragen können.
Weblink:
Das Forschungsbüro
Entstehung und Aufgabe
Im Kontext der Kooperation zwischen Lebenshilfe-Organisationen und der Universität Siegen entstand ein Forschungsbüro, das als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis fungiert. Das Forschungsbüro verfolgt mehrere Ziele:
- Partizipative Forschung: Menschen mit Beeinträchtigungen werden als Co-Forscher*innen in Forschungsprozesse einbezogen
- Praxisbegleitung: Wissenschaftliche Begleitung von Projekten inklusiven Engagements
- Wissenstransfer: Vermittlung zwischen akademischer Forschung und sozialpädagogischer Praxis
- Dokumentation: Systematische Erfassung von Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Möglichkeitsdenker-Praxis
- Konzeptentwicklung: Erarbeitung von Handlungskonzepten und Qualitätsstandards
Forschungsschwerpunkte
Das Forschungsbüro befasst sich unter anderem mit:
- Transformation von Werkstätten für behinderte Menschen
- Inklusive Formen bürgerschaftlichen Engagements
- Partizipation und Selbstvertretung
- Sozialräumliche Inklusion
- Professionelle Haltungen in der Behindertenhilfe
- Überwindung des Helfersyndroms
- Personenzentrierte Zukunftsplanung
- Inklusive Hochschuldidaktik
Methodische Ansätze
Das Forschungsbüro arbeitet mit innovativen, inklusiven Forschungsmethoden:
- Aktionsforschung: Forschung als gemeinsamer Prozess mit den Beforschten
- Photovoice: Menschen mit Beeinträchtigungen dokumentieren ihre Perspektiven fotografisch
- Leichte Sprache in der Forschung: Zugängliche Forschungskommunikation
- Peer-Research: Menschen mit Beeinträchtigungen als Forschende
- Ethnografische Methoden: Teilnehmende Beobachtung in inklusiven Settings
Organisatorische Trägerschaft und Netzwerke
Lebenshilfe-Organisationen in Nordrhein-Westfalen
Die praktische Umsetzung des Möglichkeitsdenker-Konzepts erfolgt in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Lebenshilfe-Organisationen in Nordrhein-Westfalen:
Lebenshilfe Lüdenscheid
Die Lebenshilfe Lüdenscheid ist eine der tragenden Organisationen, die das Möglichkeitsdenker-Konzept in ihrer Arbeit implementiert hat. Sie setzt innovative Projekte zur Förderung von Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe um und ist aktiv in der regionalen Vernetzung engagiert.
Weblink:
Lebenshilfe Landesverband NRW
Der Lebenshilfe Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. fungiert als Dachorganisation und fördert die landesweite Verbreitung innovativer Inklusionskonzepte. Er unterstützt die Vernetzung zwischen lokalen Lebenshilfe-Organisationen, wissenschaftlichen Einrichtungen und politischen Akteuren.
Weblink:
Der Landesverband spielt eine wichtige Rolle bei:
- Fachpolitischer Interessenvertretung
- Qualitätsentwicklung in der Behindertenhilfe
- Verbreitung innovativer Konzepte wie der Möglichkeitsdenker-Philosophie
- Vernetzung von Praxis, Wissenschaft und Politik
Lebenshilfe-Rat NRW
Eine besondere Verbindung besteht zum Lebenshilfe-Rat NRW, dem Selbstvertretungsgremium des Landesverbandes, in dem Menschen mit Beeinträchtigungen ihre Interessen selbst vertreten. Diese Querverbindung unterstreicht den partizipativen Ansatz des Möglichkeitsdenker-Projekts.
Lebenshilfewerk Marburg-Biedenkopf
Das Lebenshilfewerk Marburg-Biedenkopf ist eine weitere wichtige Partnerorganisation mit engen Querverbindungen zum Möglichkeitsdenker-Projekt. Die Organisation in Mittelhessen trägt zur regionalen und überregionalen Vernetzung bei.
Weblink:
Bundesvereinigung Lebenshilfe
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. ist durch die Mitarbeit von Dr. Angelika Magiros eng mit dem Projekt verbunden und trägt zur bundesweiten Verbreitung des Möglichkeitsdenker-Ansatzes bei.
Weblink:
Weitere beteiligte Organisationen
Die Möglichkeitsdenker-Philosophie wird von verschiedenen regionalen und überregionalen Lebenshilfe-Einrichtungen aufgegriffen:
- Lebenshilfe Siegen und weitere Einrichtungen in der Region Südwestfalen
- Weitere regionale Lebenshilfe-Verbände in Hessen und anderen Bundesländern
- Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, die transformative Prozesse durchlaufen
Praxisbeispiele und weitere Kooperationen
Netphener Tisch
Ein prominentes Beispiel ist der Netphener Tisch in Netphen (Nordrhein-Westfalen), eine Lebensmittelausgabestelle, bei der Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur Empfängerinnen sind, sondern als freiwillige Helferinnen aktiv mitwirken. Diese Transformation von Nutzer*innen zu Engagierten zeigt exemplarisch den Möglichkeitsdenker-Ansatz und wurde wissenschaftlich durch die Universität Siegen begleitet.
Weitere Hochschulkooperationen
Neben der zentralen Zusammenarbeit mit der Universität Siegen bestehen Kontakte zu:
- Hochschulen für Soziale Arbeit in Nordrhein-Westfalen
- Forschungsinstituten im Bereich Disability Studies
- Internationalen Hochschulnetzwerken zu inklusiver Bildung
- Österreichischen Partnerorganisationen (insbesondere Lebenshilfe Graz/Steiermark)
Rechtliche und politische Einbettung
Bundesteilhabegesetz (BTHG)
Das 2017 in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz bildet einen wichtigen rechtlichen Rahmen für die Möglichkeitsdenker-Praxis. Es stärkt:
- Selbstbestimmung und Teilhabe
- Personenzentrierte Leistungserbringung
- Budget für Arbeit als Alternative zur Werkstatt
- Gesamtplanung und Teilhabeplanung
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Partizipationsgesetze
Auf Landesebene existieren verschiedene Partizipations- und Teilhabegesetze, die die rechtliche Grundlage für erweiterte Mitbestimmungsrechte schaffen.
Kritische Diskurse
Werkstätten-Debatte
Das Möglichkeitsdenker-Konzept ist eng verknüpft mit der kritischen Auseinandersetzung um die Zukunft der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Kritiker*innen fordern:
- Abbau segregativer Sonderstrukturen
- Übergang zu inklusiven Arbeitsformen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
- Faire Entlohnung statt Werkstattlohn
Helfersyndrom und professionelle Haltung
Das Projekt thematisiert auch kritisch das sogenannte Helfersyndrom in sozialen Berufen und fordert eine reflexive professionelle Haltung, die Abhängigkeiten vermeidet und Selbstbestimmung fördert. Diese Thematik wird sowohl in der Forschung als auch in der Lehre an der Universität Siegen aufgegriffen.
Publikationen und wissenschaftlicher Diskurs
Zum Themenfeld Möglichkeitsdenker und inklusives bürgerschaftliches Engagement existieren verschiedene Veröffentlichungen in:
- Fachzeitschriften für Soziale Arbeit (z.B. Soziale Arbeit, Teilhabe)
- Publikationen der Lebenshilfe (Bundes- und Landesverbände)
- Hochschulschriften und wissenschaftliche Abhandlungen aus der Universität Siegen
- Dokumentationen des Forschungsbüros
- Praxisberichte und Handreichungen
- Blog-Publikationen und Essays (z.B. auf arminherzberger.com)
Internationale Bezüge
Das Konzept steht im Dialog mit internationalen Entwicklungen:
- Lebenshilfe Österreich (insbesondere Graz/Steiermark) als Ideengeber
- Independent Living Movement (USA, Skandinavien)
- Social Role Valorization nach Wolf Wolfensberger
- Community-based Rehabilitation (WHO-Ansatz)
- Nothing About Us Without Us – Motto der internationalen Behindertenbewegung
- Person Centered Planning – Internationale Bewegung der Zukunftsplanung
Ausblick
Die Möglichkeitsdenker-Perspektive gewinnt im Kontext der Inklusions- und Teilhabedebatte zunehmend an Bedeutung. Sie fordert eine grundlegende Neuausrichtung der Behindertenhilfe und stellt die Frage nach der Transformation bestehender Sonderstrukturen. Die wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Siegen und die Arbeit des Forschungsbüros tragen dazu bei, diesen Wandel theoretisch zu fundieren und empirisch zu erforschen.
Die Vernetzung zwischen Praxis (Lebenshilfe-Organisationen), Wissenschaft (Universität Siegen, Forschungsbüro) und Politik (Landesverband NRW, Lebenshilfe-Rat NRW, Bundesvereinigung) schafft günstige Voraussetzungen für eine nachhaltige Weiterentwicklung inklusiver Teilhabestrukturen.
Als Graswurzelprojekt bleibt die Initiative dabei ihren Wurzeln treu: Der Wandel entsteht nicht durch Verordnungen von oben, sondern durch das konkrete Engagement und die gelebte Praxis von Menschen, die neue Wege der Teilhabe beschreiten. Die Einbindung mehrerer promovierter Wissenschaftlerinnen mit Beeinträchtigungen sowie weiterer Dozentinnen in eigener Sache zeigt exemplarisch, welche Potenziale durch konsequente Inklusion erschlossen werden können.
Siehe auch
- Lebenshilfe
- Inklusion (Soziologie)
- Selbstbestimmt-Leben-Bewegung
- UN-Behindertenrechtskonvention
- Bundesteilhabegesetz
- Empowerment
- Sozialraumorientierung
- Partizipative Forschung
- Disability Studies
- Personenzentrierte Zukunftsplanung
- Graswurzelbewegung
Weblinks
Wissenschaftliche Einrichtungen
Lebenshilfe-Organisationen
Blog und Dokumentation
Politische und fachliche Netzwerke
Einzelnachweise
Dieser Artikel basiert auf Konzepten und Praxiserfahrungen aus der deutschen und österreichischen Behindertenhilfe und Sozialpädagogik, insbesondere der wissenschaftlichen Kooperation zwischen Lebenshilfe-Organisationen und der Universität Siegen.
Hinweis: Dieser Artikel stellt ein Konzept dar, das als Graswurzelprojekt in verschiedenen Kontexten der Lebenshilfe-Arbeit entwickelt und praktiziert wird. Die genaue organisatorische Zuordnung und institutionelle Verankerung kann regional unterschiedlich sein.
HeClki 03.12.25
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