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Gekürzter und ergänzter Text aus: DER SPIEGEL 18.04.20

Gibt mir zu denken. Bestätigt leider meine Befürchtungen. Ich zitiere hier ohne Hähme, eher nachdenklich und auch sorgenvoll:

„Weiße Evangelikale gelten als treueste Unterstützer von US-Präsident Donald Trump – trotz seiner Affäre mit einem Pornostar. Trump hört auf sie, und viele ihrer Prediger verharmlosten das Virus zu lange… .

Pas­to­rin Whi­te, Prä­si­dent Trump am 3. Ja­nu­ar in Mia­mi: Das Chris­ten­tum auf­le­ben las­sen, be­vor die Erde un­ter­geht
Als die Co­ro­na­kri­se im Land schon in vol­lem Gan­ge ist und die Bet­ten in den New Yor­ker Kran­ken­häu­sern sich mit Men­schen fül­len, bit­tet Trumps per­sön­li­che Pas­to­rin die Mas­sen in ihre Rie­sen­kir­che in Flo­ri­da, um ge­gen das Vi­rus zu be­ten… .

IHR GOTT IM WEI­SSEN HAUS

Es ist der 15. März 2020, der »Na­tio­na­le Ge­bets­tag« für alle von der Pan­de­mie be­trof­fe­nen Men­schen im Land. Trump hat die­sen Tag aus­ge­ru­fen.

Er will, dass die Gläu­bi­gen für die Kran­ken be­ten, aber auch für die Co­ro­na-Stra­te­gie der Re­gie­rung.

Pau­la Whi­te, 53 Jah­re alt, eine Frau mit pla­t­in­blon­dem Pa­gen­kopf, schma­lem Ge­sicht und vol­len Lip­pen ist eine evan­ge­li­ka­le Chris­tin und pro­mi­nen­te Pre­di­ge­rin. Seit Ende 2019 ge­hört sie Trumps Re­gie­rung als Be­ra­te­rin an. Sie ist Teil der »Glau­bens­in­itia­ti­ve« des Prä­si­den­ten, sie soll Wäh­ler für ihn re­kru­tie­ren. Wie schon 2016 ist Trump auch dies­mal dar­auf an­ge­wie­sen, dass die rech­ten Chris­ten zur Wahl ge­hen und für ihn stim­men.

Jetzt steht Whi­te im schwar­zen Busi­ness­kos­tüm und auf High Heels am Pult ih­rer Kir­che »City of De­sti­ny«. Ein ka­bel­lo­ses Mi­kro­fon ragt ne­ben ih­rem Ohr her­vor. In ei­nem Vi­deo ih­res Auf­tritts sieht man sie auf der Büh­ne die Hän­de em­por­he­ben, von küh­lem Ne­on­licht be­strahlt.

Whi­te ruft: »Wenn ein zi­vi­ler Füh­rer von gro­ßer Au­to­ri­tät die Kir­che an­ruft und sie bit­tet, zu be­ten und zu fas­ten, dann kön­nen wir nicht auf un­se­ren Stüh­len sit­zen blei­ben und tun, als wäre es ein ge­wöhn­li­cher Sonn­tag.« Sie meint Trump.

Das Vi­rus sei »eine Pla­ge«, ruft sie von der Büh­ne – ver­gleich­bar mit den Pla­gen aus der Bi­bel. Chris­ten soll­ten für ein Ende der Pan­de­mie be­ten. Wer Geld an ihre Kir­che spen­de, sagt sie we­nig spä­ter in ei­nem an­de­ren Vi­deo­auf­tritt, wer­de Wohl­stand und Ge­sund­heit auf Er­den er­lan­gen.

Do­nald Trump stützt sich auf die Wäh­ler­grup­pe der Evan­ge­li­ka­len wie auf kaum eine an­de­re. Ein Vier­tel der Ame­ri­ka­ner zählt sich zu ei­ner der evan­ge­li­ka­len Kir­chen, rund 50 Mil­lio­nen von ih­nen sind weiß. Was die Glau­bens­ge­mein­schaft – eine theo­lo­gi­sche Rich­tung in­ner­halb des Pro­tes­tan­tis­mus – zu­sam­men­hält, ist ihre wört­li­che Aus­le­gung der Bi­bel, der Glau­be an die na­hen­de End­zeit und an die per­sön­li­che Be­zie­hung zwi­schen den Gläu­bi­gen und Je­sus Chris­tus; vie­le nen­nen sich des­halb »wie­der­ge­bo­re­ne Chris­ten«.

Sehr vie­le Evan­ge­li­ka­le ver­trau­en zu­dem auf Do­nald Trump. Im Jahr 2016 ha­ben 81 Pro­zent der wei­ßen Evan­ge­li­ka­len für Trump ge­stimmt. Und 77 Pro­zent von ih­nen sind mit der Ant­wort des Prä­si­den­ten auf die Co­ro­na­kri­se zu­frie­den.

Wie Trump spiel­ten auch vie­le evan­ge­li­ka­le Pre­di­ger das Vi­rus an­fangs her­un­ter. Ein Pre­di­ger er­zähl­te, wie Gott ihn nachts auf­ge­weckt und ihm ge­sagt habe: »Die­ses Vi­rus ist nichts.« Ein an­de­rer be­zeich­ne­te es gar als Sün­de, sich vor Co­ro­na zu fürch­ten.

Als der Prä­si­dent im März noch sei­ne Vi­si­on von »voll­ge­pack­ten Kir­chen im gan­zen Land« bis »Os­tern« äu­ßer­te, für die er von vie­len mas­siv kri­ti­siert wur­de, woll­te er wohl ins­be­son­de­re auch sei­ner re­li­giö­sen Ba­sis ge­fal­len.

Seit Ende der Sech­zi­ger­jah­re ha­ben Evan­ge­li­ka­le mehr­heit­lich re­pu­bli­ka­nisch ge­wählt, ins­be­son­de­re der frü­he­re Prä­si­dent Ro­nald Rea­gan such­te wie kein Po­li­ti­ker vor ihm die Nähe zur Be­we­gung.

Doch im Fall von Do­nald Trump warf die christ­li­che Un­ter­stüt­zung schon im­mer Fra­gen auf. Die Al­li­anz zwi­schen rech­ten Chris­ten und ka­pi­ta­lis­ti­schem Le­be­mann wirkt nicht ge­ra­de na­tür­lich. Schließ­lich han­delt Trump re­gel­mä­ßig ent­ge­gen christ­li­cher Wer­te, sein Le­bens­wan­del ist mo­ra­lisch al­les an­de­re als ein­wand­frei. Doch nicht ein­mal die Af­fä­re um den Por­no­star Stor­my Da­ni­els hat die Al­li­anz zwi­schen dem Prä­si­den­ten und der re­li­giö­sen Rech­ten zer­stört. Das liegt mit dar­an, dass noch kein US-Prä­si­dent so vie­le po­li­ti­sche Fak­ten schaff­te, die im In­ter­es­se der re­li­giö­sen Wäh­ler lie­gen.

Seit Be­ginn sei­ner Amts­zeit hat Trump zwei streng kon­ser­va­ti­ve Rich­ter am Obers­ten Ver­fas­sungs­ge­richt ein­ge­setzt, wei­te­re könn­ten fol­gen – und ei­nes Ta­ges das Recht auf Ab­trei­bung kip­pen. Dut­zen­de Pos­ten an Ge­rich­ten ver­gab er an jün­ge­re kon­ser­va­ti­ve Hard­li­ner.

Trump spricht sich nicht nur ge­gen Ab­trei­bun­gen aus, er sprach auch als ers­ter US-Prä­si­dent im Fe­bru­ar beim so­ge­nann­ten March for Life, der Pa­ra­de der Ab­trei­bungs­geg­ner. Kurz dar­auf prä­sen­tier­te er ei­nen Nah­ost­plan, der Je­ru­sa­lem zur is­rae­li­schen Haupt­stadt macht – was auch stets ein Ziel der evan­ge­li­ka­len Be­we­gung war.

Trumps Re­gie­rung ist eine der re­li­giö­ses­ten der jün­ge­ren US-Ge­schich­te. Et­li­che Mi­nis­ter, wie Au­ßen­mi­nis­ter Mike Pom­peo, Bil­dungs­mi­nis­te­rin Bet­sy De­Vos und Vi­ze­prä­si­dent Mike Pence, sind evan­ge­li­ka­le Chris­ten. Ka­bi­netts­mit­glie­der fin­den sich zum wö­chent­li­chen Bi­bel­kreis im Wei­ßen Haus zu­sam­men – das gab es zu­letzt in der Art vor hun­dert Jah­ren.

Die US-Au­to­rin und Re­li­gi­ons­ex­per­tin Ka­the­ri­ne Ste­wart, die die Be­we­gung seit Lan­gem be­ob­ach­tet, schreibt in der »New York Times«: Die Evan­ge­li­ka­len sei­en mit für Trumps in­kom­pe­ten­tes Re­gie­rungs­per­so­nal ver­ant­wort­lich, das sich für die In­ter­es­sen der re­li­giö­sen Rech­ten stark­ma­che, aber kei­ne Pan­de­mie ma­na­gen kön­ne. »Do­nald Trump ist mit der ent­schie­de­nen Hil­fe ei­ner Be­we­gung an die Macht ge­kom­men, die Wis­sen­schaft ab­lehnt, Re­gie­rung ver­ach­tet und Loya­li­tät über pro­fes­sio­nel­le Ex­per­ti­se stellt.«

Die­se Leu­te woll­ten Ame­ri­ka in eine »ima­gi­nier­te Ver­gan­gen­heit« zu­rück­füh­ren, in der das Land kon­ser­va­tiv christ­lich ge­we­sen sei. Ste­wart hält die­se Ent­wick­lung für de­mo­kra­tie­ge­fähr­dend. »Wir se­hen eine au­to­ri­tä­re Iden­ti­täts­kam­pa­gne, die kei­ner­lei Re­spekt vor der Tren­nung von Staat und Kir­che hat.« Plu­ra­lis­ti­sche Wer­te, die Ame­ri­ka ge­tra­gen hät­ten, lehn­te die Be­we­gung ab. In der Co­ro­na­kri­se wird das ex­trem ge­fähr­lich.
Wer die Be­we­gung ver­ste­hen will, muss zu­rück in den Fe­bru­ar zoo­men, in eine evan­ge­li­ka­le Me­ga­kir­che in Mia­mi. Dort, auf ei­nem spi­ri­tu­el­len Kon­gress, er­zählt Pau­la Whi­te die Ge­schich­te ei­nes ver­lo­re­nen Mäd­chens aus ei­nem Trai­ler­park, das Trump mit Gott zu­sam­men­brach­te und spä­ter sei­ne re­li­giö­se Be­ra­te­rin wur­de. Es ist ihre ei­ge­ne Ge­schich­te.
Whi­te steht auf ei­ner Büh­ne im In­nern der Me­ga­kir­che, das Schein­wer­fer­licht lässt ih­ren blon­den Pa­gen­kopf im Halb­dun­kel leuch­ten. Tau­sen­de Gläu­bi­ge ju­beln ihr zu.
»Mein Va­ter hat sich um­ge­bracht, als ich fünf Jah­re alt war«, er­zählt sie. Whi­te wur­de als Kind se­xu­ell miss­braucht, ver­nach­läs­sigt von der al­ko­hol­kran­ken Mut­ter. Die Schul­ka­me­ra­den nann­ten sie »trai­ler trash«, »Müll aus dem Trai­ler­park«.

Whi­te lern­te Gott ken­nen, wie sie sagt, und be­gann die Bi­bel zu le­sen. Pas­to­ren wur­den auf sie auf­merk­sam. Bald trat sie im Re­gio­nal­fern­se­hen auf. Nach ei­nem die­ser Auf­trit­te 2002 habe sich »ein Mis­ter Trump« ge­mel­det. Trump be­sitzt ein An­we­sen in Palm Beach in Süd­flo­ri­da.

»Du bist fan­tas­tisch!«, habe er in den Hö­rer ge­brüllt. »Du hast den It-Fak­tor!«

Whi­te lä­chelt. »Das heißt Sal­bung, Sir«, habe sie ihm ge­sagt. Nach­dem sie auf­ge­legt hat­te, habe Gott zu ihr ge­spro­chen und ihr den Auf­trag er­teilt, Trump zu hel­fen. »Ich führ­te den Auf­trag aus, ohne zu wis­sen, dass je­ner Mann, dem ich hel­fen soll­te, Gott ken­nen­zu­ler­nen, Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten wer­den wür­de!«, ruft sie. Die Men­ge johlt.

Die Ge­schich­te ist per­fekt: Pau­la Whi­te, das Bin­de­glied zwi­schen Gott und dem US-Prä­si­den­ten. In den Jah­ren da­nach wird Whi­te Trumps per­sön­li­che Pas­to­rin.

Trump be­zeich­net sich selbst als pres­by­te­ria­nisch, gibt sei­nen Lieb­lings­vers in der Bi­bel mit »Auge um Auge, Zahn um Zahn« an und ver­wech­sel­te ein­mal ein Ta­blett, auf dem die Kom­mu­ni­on ge­reicht wird, mit ei­nem Tel­ler für die Kol­lek­te.

Gläu­bi­ge Beigh­tol (M.) mit El­tern »Eine Prü­fung für uns Chris­ten«
Whi­te ge­hört der »Pro­spe­ri­ty Gos­pel« an, ei­ner Rand­er­schei­nung des Evan­ge­li­ka­lis­mus, die ge­gen Spen­de Wohl­stand auf Er­den ver­spricht. Ein ziem­lich ka­pi­ta­lis­ti­sches Re­li­gi­ons­ver­ständ­nis also, das auch un­ter Evan­ge­li­ka­len um­strit­ten ist, aber zum Im­mo­bi­li­en­un­ter­neh­mer Trump her­vor­ra­gend zu pas­sen scheint.

Sie kauf­te nach dem An­ruf ein Apart­ment in sei­nem Haus in der New Yor­ker Park Ave­nue und be­such­te sei­ne Show »The App­ren­ti­ce«. Er nahm an ih­ren Bi­bel­krei­sen teil, die sie ge­le­gent­lich in New York lei­te­te. 2016, und auch jetzt wie­der, hilft sie ihm im Wahl­kampf.

»The Su­perna­tu­ral Mi­nis­try School« heißt der drei­tä­gi­ge Kon­gress, auf dem Whi­te An­fang Fe­bru­ar auf­tritt. Die Me­ga­kir­che »King Je­sus In­ter­na­tio­nal Mi­nis­try« im Sü­den Mia­mis ist von Pal­men um­ge­ben. In ih­rem In­nern fin­den 7000 Men­schen Platz.

Hier lässt sich wäh­rend ei­ner sechs­stün­di­gen End­zeit­pre­digt er­le­ben, wie schein­bar der Hei­li­ge Geist in Gläu­bi­ge fährt und sie zu ei­nem Knall aus ei­ner Sound­ma­schi­ne zu Bo­den ge­hen. Pre­di­ger be­rich­ten von Ka­ri­es­zäh­nen, die sich in Gold ver­wan­deln. Pau­la Whi­te sam­melt am Ende ih­res Auf­tritts Schecks ein, da­für ver­spricht sie See­len­heil.

Aber kurz vor Be­ginn des Wahl­jahrs 2020 er­lebt die Al­li­anz zwi­schen Trump und den Evan­ge­li­ka­len eine Er­schüt­te­rung. Das kon­ser­va­ti­ve Ma­ga­zin »Chris­tia­ni­ty To­day« ver­öf­fent­lich­te Ende De­zem­ber ein Edi­to­ri­al, in dem der Chef­re­dak­teur Trumps Ab­set­zung for­der­te. Schock­wel­len gin­gen lan­des­weit durch die Kir­chen.

Schon län­ger wen­den sich jun­ge und ge­bil­de­te Evan­ge­li­ka­le von Trump ab. Nach Pau­la Whi­tes Schul­ter­schluss mit dem Prä­si­den­ten sol­len schwar­ze Gläu­bi­ge in Scha­ren aus ih­rer Ge­mein­de ge­flo­hen sein. Muss Trump um sei­ne Wäh­ler fürch­ten?

Am 3. Ja­nu­ar 2020, kurz nach Er­schei­nen des kri­ti­schen Ar­ti­kels, stand er selbst in der Me­ga­kir­che in Mia­mi. 5000 Chris­ten wa­ren da. Wohl wis­send, dass es zu­erst die La­ti­nos und Schwar­zen sein könn­ten, die sich ab­wen­den, ver­kün­de­te Trump den Start sei­ner Kam­pa­gne »Evan­ge­li­ka­le für Trump« im »King Je­sus Mi­nis­try« in der Stadt Mia­mi, wo vor al­lem La­ti­nos le­ben.

Trump rief: »Evan­ge­li­ka­le Chris­ten je­der Glau­bens­rich­tung und Gläu­bi­ge je­der Re­li­gi­on hat­ten nie ei­nen grö­ße­ren Un­ter­stüt­zer im Wei­ßen Haus als ihr jetzt!« Er sprach über die an­geb­li­che Wie­der­be­le­bung des Aus­drucks »Mer­ry Christ­mas« in Ame­ri­ka, die er sich selbst zu­schreibt.

»Wir wer­den ge­win­nen«, sag­te Trump.

»Wir ha­ben Gott an un­se­rer Sei­te.«

Pre­di­ge­rin Pau­la Whi­te stand am 3. Ja­nu­ar in Trumps Nähe und be­te­te. An die­sem Tag ent­stand ein Foto, auf dem sie und an­de­re Evan­ge­li­ka­le Trump be­rüh­ren, als bär­ge sein Kör­per et­was Hei­li­ges.

Evan­ge­li­ka­le bei Got­tes­dienst am 5. Fe­bru­ar in Mia­mi: »Ka­ri­es­zäh­ne in Gold ver­wan­deln«
»Die Evan­ge­li­ka­len ha­ben Trump ihre Loya­li­tät ge­schenkt, ohne an­zu­er­ken­nen, dass er mo­ra­li­sche Pro­ble­me hat«, sagt Mark Gal­li in sei­nem Haus in Chi­ca­go.

Der 67-Jäh­ri­ge war ein­mal Pas­tor und ar­bei­te­te 30 Jah­re lang als Jour­na­list. Beim kon­ser­va­ti­ven, evan­ge­li­ka­len Ma­ga­zin »Chris­tia­ni­ty To­day« war er Chef­re­dak­teur. Er hat den Leit­ar­ti­kel ver­fasst, der wie eine Bom­be ein­schlug.

»Chris­tia­ni­ty To­day« gilt als Flagg­schiff der Evan­ge­li­ka­len. Es wur­de 1956 von Bil­ly Gra­ham ge­grün­det, der eng mit Prä­si­dent Ei­senhow­er war. Die Le­ser sind ge­mä­ßigt, das Heft bis­lang we­nig kon­tro­vers.

»Trump soll­te aus dem Amt ent­fernt wer­den«, schrieb Gal­li am 19. De­zem­ber 2019. Er be­schreibt Trump als »mo­ra­lisch ver­lo­ren«. Das Im­peach­ment-Ver­fah­ren be­wei­se, dass er das Amt des Prä­si­den­ten be­schä­digt habe. Sei­ne Ab­set­zung müs­se er­fol­gen aus ei­ner »Loya­li­tät ge­gen­über dem Schöp­fer der Zehn Ge­bo­te«.

Gal­li sitzt in sei­nem Wohn­zim­mer­ses­sel, in der Hand eine Tas­se Tee. Ein nach­denk­li­cher Mann mit sta­bi­len Wer­ten, der gern Flie­gen­fi­schen geht und Bier braut. Ei­gent­lich woll­te er jetzt sei­ne Ren­te ge­nie­ßen, statt­des­sen war er ge­ra­de für ein Fern­seh­in­ter­view in Ka­na­da, hat mit al­len gro­ßen US-Me­di­en ge­spro­chen, als Nächs­tes kommt eine TV-Crew aus Ja­pan vor­bei.

Sie alle wol­len wis­sen, wie er es als Evan­ge­li­ka­ler wag­te, Trump zu kri­ti­sie­ren. Gal­li er­in­nert sich an den Mor­gen, an dem er über­leg­te, ob man das Amts­ent­he­bungs­ver­fah­ren über­haupt kom­men­tie­ren soll­te.

Drei Jah­re lang hat­te Gal­li da­mit ver­bracht, die evan­ge­li­ka­len Un­ter­stüt­zer des Prä­si­den­ten zu ver­ste­hen. Er sah mit Be­sorg­nis, wie kon­ser­va­ti­ve und li­be­ra­le Chris­ten im­mer öf­ter dar­über strit­ten, wer ein rich­ti­ger Christ sei. Als Gal­li sei­ne rech­ten Be­kann­ten nach ih­rer Mei­nung zum Im­peach­ment frag­te, sag­te ei­ner nach dem an­de­ren: »Eine Ver­schwö­rung der De­mo­kra­ten.« Gal­li schrieb sei­nen Text.

Kurz nach der Ver­öf­fent­li­chung brach die In­ter­net­sei­te von »Chris­tia­ni­ty To­day« zu­sam­men. Ein Pro­test­sturm er­reich­te die Re­dak­ti­on. Aber es gab auch et­li­che Le­ser, die er­leich­tert wa­ren.

Knapp zwei Wo­chen spä­ter sah Gal­li Trumps Auf­tritt in der Me­ga­kir­che in Mia­mi. Die Ver­göt­te­rung durch sei­ne An­hän­ger sei »göt­zen­haft« ge­we­sen. In den Ge­be­ten des »Pro­spe­ri­ty Gos­pel« wur­den die Fein­de Trumps »sa­ta­nisch« ge­nannt.

»Ich war schon im­mer sen­si­bel für Spra­che«, sagt Gal­li. Vie­le Chris­ten hät­ten den Sound von Trump über­nom­men. Da­bei gehe es in et­li­chen Bi­bel­ver­sen dar­um, »mit wel­cher Zun­ge Men­schen spre­chen«.

Jetzt, in der Co­ro­na­kri­se, sagt Gal­li An­fang April am Te­le­fon, wie­der­ho­le sich die Ge­schich­te. »Die evan­ge­li­ka­le Rech­te ver­harm­lost das Vi­rus. Sie den­ken, wenn man die Kir­chen schließt, zei­ge das ei­nen man­geln­den Glau­ben an Gott«, so Gal­li.

Wer sich schüt­ze, wer­de als schlech­ter Christ ge­brand­markt. »Wer krank wird, hat eben nicht ge­nug ge­glaubt.« Das Miss­trau­en ge­gen­über der Wis­sen­schaft und ge­gen­über Au­to­ri­tä­ten, die ihre fun­da­men­ta­len Glau­bens­sät­ze in­fra­ge stel­len, sei ein gro­ßes Pro­blem.

In ei­ner der äl­tes­ten Me­ga­kir­chen Ame­ri­kas, der First Bap­tist Church Dal­las, mit 13 000 Mit­glie­dern er­scheint bei ei­ner Sonn­tags­mes­se im Fe­bru­ar auf der zen­tra­len Lein­wand Trumps Kon­ter­fei. Ein Be­such sei­ner ehe­ma­li­gen Pres­se­spre­che­rin, Sa­rah Hu­ck­a­bee San­ders, wird an­ge­kün­digt. Pas­tor Ro­bert Jef­fress wird sie in­ter­view­en. Er ist ei­ner der pro­mi­nen­tes­ten evan­ge­li­ka­len Trump-Un­ter­stüt­zer.

Der Cam­pus, auf dem die Kir­che steht, hat 130 Mil­lio­nen US-Dol­lar ge­kos­tet. Der Got­tes­dienst dar­in gleicht mit sei­nem Chor und sei­nen Li­ve­t­au­fen in ei­nem pool­ar­ti­gen Be­cken ei­ner Mi­schung aus Mu­si­cal und Bi­bels­e­mi­nar. Vor al­lem äl­te­re wei­ße Te­xa­ne­rin­nen und Te­xa­ner sind ge­kom­men. Hier im so­ge­nann­ten Bi­b­le Belt ist die Un­ter­stüt­zung für den Prä­si­den­ten rie­sig. 2014 be­zeich­ne­ten sich 31 Pro­zent al­ler Te­xa­ner als Evan­ge­li­ka­le.

»Ich bin ein Freund des Prä­si­den­ten.«

Ro­bert Jef­fress lä­chelt. Der 64-Jäh­ri­ge trägt ei­nen schwar­zen Na­del­strei­fen­an­zug, dazu eine Trump-rote Kra­wat­te. Er war­tet nach dem Got­tes­dienst in ei­nem Hin­ter­zim­mer, reicht freund­lich die Hand. Jef­fress ist der ers­te Pas­tor, der Trump 2016 in den Vor­wah­len un­ter­stütz­te. Über sei­ne Auf­trit­te beim kon­ser­va­ti­ven TV-Sen­der Fox-News, sei­ne TV-Show »Pa­thway to Vic­to­ry«, sei­ne Ra­dio­sen­dung und Pre­dig­ten er­reicht er ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum.

Zwei Mo­na­te spä­ter, zu Be­ginn der Co­ro­na­kri­se, soll­te er sich wei­gern, sei­ne Kir­che zu schlie­ßen.

War­um ist Trump un­ter Gläu­bi­gen so er­folg­reich?

»Po­li­ti­sche Ent­täu­schung«, sagt Ro­bert Jef­fress. Trump sei der ers­te Prä­si­dent, der wirk­lich et­was für die Evan­ge­li­ka­len tue.

»Sein Be­kennt­nis zur Pro-Life-Be­we­gung, sein Ein­satz für Re­li­gi­ons­frei­heit« und sei­ne »Un­ter­stüt­zung für Is­ra­el« – das elek­tri­sie­re die evan­ge­li­ka­le Ge­mein­de.

Vor Trump hat­te Jef­fress oft Hoff­nung in an­de­re Po­li­ti­ker ge­setzt. Er stimm­te einst für den De­mo­kra­ten Jim­my Car­ter, der sich selbst als wie­der­ge­bo­re­nen Chris­ten be­zeich­ne­te, Jef­fress aber ent­täusch­te. Er folg­te dem Re­pu­bli­ka­ner Ro­nald Rea­gan, der die Evan­ge­li­ka­len be­son­ders fest um­arm­te. Doch aus den Ver­spre­chen, die sie wäh­rend der Kam­pa­gnen ga­ben, so sieht es Jef­fress, wur­de sel­ten Po­li­tik.

Trump fand eine evan­ge­li­ka­le Ge­mein­de vor, die zwar noch re­pu­bli­ka­nisch wäh­len woll­te, aber Er­nüch­te­rung emp­fand. Er schwang sich zu ih­rem Ret­ter auf. Jef­fress bot ihm die vol­le Un­ter­stüt­zung an. Heu­te be­tet er mit Trump, be­rät ihn in Glau­bens­fra­gen. An Os­tern hat­te Trump an­ge­kün­digt, sich in sei­ne Mes­se ein­zu­schal­ten.

Ehe­ma­li­ger Pas­tor Gal­li Miss­trau­en ge­gen­über Au­to­ri­tä­ten
Als Trump einst droh­te, Nord­ko­rea aus­zu­lö­schen, schrieb Jef­fress in ei­nem Ar­ti­kel, dass er als Herr­scher das Recht dazu habe und zi­tier­te ei­nen Bi­bel­vers.

Trump, sagt Jef­fress, bie­te den Evan­ge­li­ka­len die Ge­le­gen­heit, das Chris­ten­tum noch ein­mal auf­le­ben zu las­sen, be­vor die Erde un­ter­ge­he. Wie die meis­ten Evan­ge­li­ka­len glaubt Jef­fress an die End­zeit. »Un­se­re Welt wird je­den Tag gott­lo­ser. Der Kurs der Erde geht ab­wärts.« So be­schrei­be es die Schrift, be­vor Je­sus auf die Erde zu­rück­keh­re.

»Ich weiß nicht, wann er kommt«, sagt Jef­fress. »Ob nächs­tes Jahr oder ir­gend­wann im 21. Jahr­hun­dert.« Wenn es so weit sei, wer­de er jene mit ins Pa­ra­dies neh­men, die ihn als Ret­ter an­er­kann­ten. Die an­de­ren schmor­ten in der Höl­le. Trumps Re­gie­rungs­zeit er­mög­li­che es den Gläu­bi­gen jetzt, »mög­lichst vie­le See­len zu ret­ten«, be­vor al­les Ir­di­sche ver­lö­sche.

An­fang März hielt Jef­fress eine Pre­digt mit dem Ti­tel: »Ist das Co­ro­na­vi­rus eine Stra­fe Got­tes?« Die Apo­ka­lyp­se und das Vi­rus lie­gen für ihn eng bei­ein­an­der. »Alle Na­tur­ka­ta­stro­phen sind letzt­lich auf Sün­den zu­rück­zu­füh­ren«, sag­te er.

Dass Trump als Boll­werk ge­gen den Nie­der­gang des Glau­bens wir­ken soll, er­scheint ab­surd. Doch es hat mit der Li­be­ra­li­sie­rung der Ge­sell­schaft zu tun. Vie­le Chris­ten füh­len sich un­wohl, wenn wäh­rend der Su­per­bowl-Über­tra­gung halb nack­te Frau­en er­schei­nen, gleich­ge­schlecht­li­che Ehen vie­ler­orts zum All­tag ge­hö­ren. Jetzt kommt die Angst vor dem Co­ro­na­vi­rus hin­zu.

2020 wer­de Trump ein noch hö­he­res Er­geb­nis ein­fah­ren, pro­phe­zeit Jef­fress.

We­ni­ger als 20 Pro­zent der Evan­ge­li­ka­len ent­schie­den sich 2016 ge­gen Trump. Stu­di­en be­le­gen, dass wei­ße, evan­ge­li­ka­le Ju­gend­li­che ge­nau­so häu­fig für ihn stimm­ten wie ihre El­tern oder Groß­el­tern. Ihre Po­si­tio­nen, was Ab­trei­bung be­trifft, un­ter­schie­den sich kaum von­ein­an­der.

Wie aber geht es Gläu­bi­gen, die nach ei­ner Al­ter­na­ti­ve zu Trump su­chen?

An der West­küs­te Flo­ri­das, auf Mar­co Is­land, ste­hen von Pal­men um­ge­be­ne Vil­len, hin­ter de­nen Swim­ming­pools glit­zern. Hier wohnt eine jun­ge Evan­ge­li­ka­le, die in ih­rer kon­ser­va­ti­ven Ge­mein­de oft er­lebt hat, wie gläu­bi­ge Chris­ten an Trump zwei­fel­ten und am Ende doch ver­such­ten, sich ihn schön­zu­re­den.

Alex­an­dria Beigh­tol sitzt bar­fuß auf ei­nem aus­la­den­den Sofa in ih­rer Vil­la, zwei Au­to­stun­den von Mia­mi ent­fernt. Ihre El­tern, mit de­nen sie hier lebt, sind Ab­trei­bungs­geg­ner. Der Va­ter Arzt, die Mut­ter ver­treibt Kos­me­tik­pro­duk­te im Netz, wo­bei Beigh­tol, 24, ihr hilft.

»Alle in un­se­rer Kir­che wäh­len Trump«, er­zählt sie. »Wer sich un­wohl fühlt, sagt, dass Gott den Prä­si­den­ten als Prü­fung für uns Chris­ten ge­schickt habe.« Die Bi­bel be­sa­ge, dass es schon im­mer schreck­li­che Män­ner aus­zu­hal­ten gab, die am Ende für das Wohl der Gläu­bi­gen sorg­ten.

Die ei­nen mei­nen, Trump sei wie je­ner wil­de Mann Jehu, den Gott ein­setzt, um die Stadt Jes­re­el zu be­frei­en. Die an­de­ren ver­glei­chen ihn mit dem per­si­schen Kö­nig Ky­rus, der das Ge­setz miss­ach­te, aber die ver­trie­be­nen He­brä­er wie­der nach Je­ru­sa­lem hol­te. Beigh­tol hör­te von Abra­ham, der ge­zwun­gen wor­den sei, sei­nen Sohn zu op­fern, um sei­ne Loya­li­tät zu Gott zu be­wei­sen. »Vie­le glau­ben, dass sie an Trump fest­hal­ten müs­sen, um zu be­wei­sen, dass sie ech­te Chris­ten sind.«

Bis vor we­ni­gen Jah­ren sei­en ihre ei­ge­nen Über­zeu­gun­gen ty­pisch re­pu­bli­ka­nisch und na­tio­na­lis­tisch ge­we­sen. Sie habe so­gar et­was ge­gen Mus­li­me ge­habt.

Zwei­fel ka­men erst auf, als Beigh­tol auf das Blog der in­zwi­schen ver­stor­be­nen, li­be­ra­len Evan­ge­li­ka­len Ra­chel Held Evans stieß. Sie brach­te vie­le jun­ge Evan­ge­li­ka­le dazu, ihre Wer­te zu über­prü­fen.

Beigh­tol, de­ren Mut­ter aus Tri­ni­dad stammt, las den Blog heim­lich. »Ich frag­te mich, was Pro Life be­deu­tet, au­ßer vor Ab­trei­bungs­kli­ni­ken zu pro­tes­tie­ren«, er­zählt sie. Sie mach­te sich Ge­dan­ken über die Gleich­wer­tig­keit al­ler Men­schen, und über Müt­ter­sterb­lich­keit. Ihr Pro-Life-Be­griff wei­te­te sich aus. »Trump wäh­len wür­de ich nie«, sagt Beigh­tol.

Am Te­le­fon An­fang April sagt sie, die evan­ge­li­ka­le Welt sei auch jetzt, in der Co­ro­na­kri­se, ge­spal­ten. Vie­le Evan­ge­li­ka­le hiel­ten das Vi­rus für eine Prü­fung. »New York wer­de des­halb so hart ge­trof­fen, weil es ein solch li­be­ra­ler Staat sei und de­mü­ti­ger wer­den sol­le«, er­in­nert sich Beigh­tol an die Wor­te ei­ner gläu­bi­gen Freun­din.

Doch vie­le Evan­ge­li­ka­le näh­men die Be­dro­hung auch ernst und ver­hiel­ten sich ent­spre­chend. Sie ver­stün­den, dass Co­vid-19 für eine Art »Ent­hül­lung« sor­ge, ei­nen gött­li­chen Weck­ruf.

»Wir ha­ben jetzt Ge­le­gen­heit, uns zu über­le­gen, wie wir un­se­re Erde be­han­deln«, sagt Beigh­tol… .“


Ein Gedanke zu “Ihr Gott im weißen Haus ?

  1. Das ist zum Kot…..ein!!!!!
    Aber es gibt wohl viele Menschen, die so denken und meinen, sie hätten die Wahrheit mit Löffeln gefr…. und wohin das führt, sieht man ja an Trump und Co!!
    Ich halte solche Menschen, was Pilutik betrifft, für gefährlich!!

    Gefällt 1 Person

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