Es ist Dezember, kurz vor Weihnachten. Die Verwandtschaft trifft sich zur Geburtstagsfeier.
Die Vorbereitungen zu solch einem Ereignis sind umfänglich. Ein willkommenes Ereignis in einer dörflichen Umgebung. Ein nachmittägliches üppiges Kuchenbuffet ist obligatorisch.
Buttercremetorten, Sahnetorten in beachtlicher Höhe werden hergestellt.
Der Stolz für jede Hausfrau.
Er erinnert sich an ein hämmerndes, sägendes Geräusch zu früher Morgenstunden, welches ihn weckte.
Hervorgerufen durch den Handmixer der wohl starken Kontakt zur Rührschüssel hatte. Dazu der Geruch von Sahne, Vanille, und heiß gelaufenem Elektromotor.
Noch verschlafen und im Pyjama stieg er die Treppen hinunter, öffnete die Küchentür. „Zieh dich erst Mal an.“ sagte Großmutter. Mutter und Tante nickten beifällig ohne die Arbeit zu unterbrechen.
Großvater saß im Sessel und rasierte sich ebenfalls elektrisch. Das ergab ein unnachahmlichen Geräuschkonzert, das Ihn noch Jahrzehnte an die Weihnachtszeit erinnerte.


Abends dann ein deftiges Geburtstagsessen. Der Höhepunkt einer jeden Familienfeier. Kartoffelsalat, Nudelsalat immer. Bratwürste und heiße Fleischwurst ebenfalls. Das Highlight aber immer Pumpernickel dick mit Margarine bestrichen und mit Scheiblettenkäse belegt, mindestens in drei Schichten. Das ganze in längliche kleine Quadrate geschnitten und nach dem Essen zum Bier oder zum Wein gereicht.

Der Wein eine wirklich süße Plörre, Marke Himmlisch Moseltröpfchen oder Kröver Nacktarsch.
Zum Schluss noch, vor allem zur Weihnachtszeit, selbstgemachte Plätzchen aller Art die himmlische nach Butter, Vanille und Nüssen schmeckten.


Dergestalt gesättigt folgte auch er den Gesprächen der Gäste.
Für die Frauen ganz typisch, eigene Krankheiten die der Nachbarn und Bekannten. Die schulischen Leistungen der Kinder, in Frühling dann der Zustand des eigenen Gemüsegartens.
Und schließlich, in aller Ausführlichkeit, Dorfklatsch jeglicher Art.


Bei Männern hingegen war deren Mitteilungsbedürfnis eher übersichtlich. Bei den Alten wars der Krieg und Ihre Arbeit im benachbarten Siegerland als Maurer. Noch viele Jahre später glaubte er tatsächlich, das alle arbeitsfähigen Männer Maurer waren und im Siegerland arbeiteten.

Oft später dann, das Essen war schon im Gange kam, nun nennen wir Ihn Ottmar R.i.p
Er betrat das Wohnzimmer, ihm war anzumerken, dass im solche öffentlichen Auftritte deutlich überforderten und sagte:
Nichts.
Was niemanden wunderte. „Ottmar willst du noch Kuchen?“ „Das fehlt noch!“ sagte er.


Er schaute sich um und setzte sich dahin wo noch Platz war. Frauen reichten Ihm Teller und Besteck und rückten Ihm die deftigen Speisen zurecht. „Lass es Dir schmecken!“ Ottmar delektierte sich bereits, nickte nur und öffnete die bereitstehenden Bierflasche.
All das geschah ganz beifällig, niemand nahm Notiz davon.
Einige Flaschen Bier später wurde Ottmar redseliger.


Sein Blick hellte sich dann deutlich auf und bekam dann bald etwas wehmütiges und verschämtes.


Er habe mal bald nach dem Kriege ein Flüchtlingsmädchen gekannt. Sie sei schlank gewesen. Dunkle Haare, ein Lockenkopf. Immer unternehmungslustig zu Späßen und Streichen aufgelegt. Eine gute Tänzerin.

Man nannte sie „Rasselchen.“
Alle jungen Männer seien hinter ihr her gewesen. Sie wäre dann aber von einem Katholiken weggeschnappt worden. „Von einem Sudetengauner!“ wie er sagte. Das dieses junge Mädchen wohl die Liebe seines Lebens gewesen ist erwähnte er mit keinem Wort.

Ottmar ist ledig geblieben. Wohnt mit seiner Schwester zusammen, die ihn versorgt.

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