Welcher Lehrer hat dich am meisten beeinflusst? Warum?
Aus der Erzählung Pudingabitur.
Meinem Religionslehrer gewidmet. Ein aufrechter Humanist RiP, leider oft verkannt und verlacht .

Welcher Lehrer hat dich am meisten beeinflusst? Warum?
Aus der Erzählung Pudingabitur.
Meinem Religionslehrer gewidmet. Ein aufrechter Humanist RiP, leider oft verkannt und verlacht .
„Trinken Sie. Trinken ist wichtig. Trinken ist gesund. Trinken Sie noch ein Glas.“
Eine attraktive Frau, Mitte 50, immer gepflegt, dezent geschminkt, die Haare, immer ohne Ansatz, wasserstoffblond gefärbt.
Bei Meetings von etwa zwei Stunden schaffte Sie locker 2 Flaschen Wasser zu trinken.
Schlank, modern steht’s dezent gekleidet, das Outfit einer erfolgreichen Bussinesfrau.
Bei besonderen Anlässen, im Kleid, geschmackvoll ausgesucht, figurbetont, grosszügig dekolltiert aber doch passend.
Eher kantige Gesichtszüge, geschickt in Richtung mehr Weichheit geschminkt.
Die Augen graublau, deutlich, je nach Blickrichtung, ins eisgraue, wechselnd.
Beim näherer Betrachtung zeigten diese Augen eine merkwürdige schwer zu erahnende Melange die ganz unterschiedlichen inneren Zuständen vermuten ließ.
Zum einen eine gewisse kalte Leere im Blick, die gleichzeitig unglaubwürdig wirkt.
Daneben eine Art von Misstrauen und Angst gepaart mit unruhiger Lauerstellung.
Was kommt jetzt, bedroht es mich, ich muß gewappnet sein, immer bereit zum Angriff sein?
Dann auch eine tiefe Traurigkeit. Eine Trauer die erahnen lässt. Das was ich hier zeige, das bin ich nicht. Es ist eine Fassade, die nur mit Aufbietung aller Kräfte erhalten werden kann.
Ich muß meine Angst, meine Unsicherheit, meinen fehlenden Gestaltungswillen verbergen, sonst werde ich meinen eigenen Ansprüchen an mich nicht gerecht, versage, bin verloren.
Ich möchte doch ganz anderes sein.
Liebevoll, verständnisvoll, empathisch, treusorgend, mütterlich.
Aber Kinder habe ich keine, auch Großmutter werde ich nie sein.
Zuweilen schien es so als ob Sie ins Leere blicke. Die Lider werden dann schwer, als ob Sie ein unbändiges Bedürfnis nach Schlaf und Ruhe überkomme, so als ob Sie alles sediert und durch einen Nebel verborgen sehe.
Ihr Wohlwollen war, kannte man diese geschundene Seele näher, recht leicht zu erlangen.
Mit inszenierter Nibelungentreue.
Ein treuer, ein eiserner Heinrich sein, eine treue Henriette.
Nichts hinterfragen wollen, alles mittragen sollen.
Keine Fragen stellen. Immer Zustimmung zollen. Keinen Diskurs aufkommen lassen.
Egal was da komme.
Fachliche Kompetenz , war nicht erwünscht weil als bedrohlich empfunden. Sie störte nur. Alles sollte beim Alten bleiben. Lediglich ein neuer Lack auf Althergebrachtes war gelegentlich gewünscht.
Ihre Kaumuskulatur ständig bewegend blickte Sie um sich.
Lauernd, vor Angst und Panik immer auf Abwehr, so bewältigte Sie Ihren beruflichen Alltag.
Auch aus diesem Grunde war Sie allseits gefürchtet.
Als harte kalte Person die selbst viel arbeitete, noch mehr verlangte, bei der man sehr schnell in Ungnade fiel.
Fand Sie einen angeblichen Fehler bei einem Ihrer Untergebenen, der zumeist konstruiert war, war Sie gnadenlos. Sie sanktionierte hart und öffentlich, monatelange Kontrollen begannen, akribisch ausgeführt und oft außerhalb der Arbeitszeit, gerne Morgens gegen 06:45 Uhr.
Viele hielten dem nicht stand, kündigten, wurden entlassen, einige traumatisiert.
Ob Ihr diese Art mit Menschen umzugehen Ihr eine innere Genugtuung verschaffte, ob Sie die Macht über Menschen in diesem Moment genoss bleibt offen.
Sie selbst beschädigte sich damit wohl am allermeisten.
Immer ruheloser, immer getriebener, immer misstrauischer, immer mehr Angst und Panik.
Hier gelten wohl die Zeilen vom großen Friedrich Schiller aus Wallenstein:
„Das eben ist der Fluch der bösen Tat,
dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.“
Wagt man, nach Fritz Riemann eine Einordnung Ihrer Persönlichkeit wäre über folgendes nachzudenken.
„Die zwanghafte Persönlichkeit wendet sich gegen Neuerungen, wo sie ihm begegnen, was aber immer mehr zu einer Sisyphusarbeit wird, denn das Leben ist immer im Fluß, alles ist in fortwährender Wandlung begriffen, «alles fließt» in immerwährendem Entstehen und Vergehen, das sich nicht aufhalten läßt… .“
„… Bei den später zwanghaften Persönlichkeiten finden wir in ihrer Lebensgeschichte mit großer Regelmäßigkeit, daß in ihrer Kindheit altersmäßig zu früh und zu starr die lebendigen aggressiven, affektiven, die gestalten und verändern wollenden Impulse, ja oft jede Spontaneität, jede Äußerung gesunden Eigenwillens gedrosselt, gehemmt, bestraft oder unterdrückt wurden… .“
„In der Unfähigkeit zwanghafter Menschen, Spontaneität und Unplanbarkeit zuzulassen, liegt ihr zentrales Problem. Das Leben ist nicht ins letzte Detail planbar. Es ist im Fluss und konfrontiert uns von Geburt an mit dem Unbekannten und Neuen, welches uns spontane Reaktionen abverlangt. Hinter dem Festhalten am Alten und Vertrauten steht letztlich die Angst vor der unausweichlichen Vergänglichkeit, die Angst vor dem Tod… .“
„… Zum lebensgeschichtlichen Hintergrund von Menschen mit zwanghafter Persönlichkeit lässt sich sagen, dass sie in ihrer frühen Kindheit oft zu früh durch die Bezugspersonen angehalten wurden, auftretende aggressive, spontane und altersgemäß natürliche Reaktionen zu unterdrücken.
Sie wurden oftmals zu früh herangeführt an Gebote und Verbote. Man findet es häufig, dass in ihrer Kindheit „jede Spontaneität, jede Äußerung gesunden Eigenwillens gedrosselt, gehemmt, bestraft……. wird.
Für ihre Pseudosicherheit zahlen zwanghafte Menschen einen hohen Preis, denn durch ihr Festhalten am Alten und Bekannten verschließen sie sich gleichsam vor den Möglichkeiten und Chancen des Neuen.“
Kurz:
„…. Sie verschließen sich vor der Möglichkeit der Weiterentwicklung, die ja ebenso wie das Alte und Vertraute, das Neue, das Unerwartete Bestandteil des Lebens ist… .“
„Das Grundproblem zwanghafter Menschen können wir also in ihrem überwertigen Sicherungsbedürfnis erkennen.
Voraussicht, zielbewusste Planung auf lange Sicht, überhaupt die Einstellung auf Dauer, hängen damit zusammen.
Begründet liegt das in der Angst davor, das Gewohnte und Vertraute, das Sicherheit und Identität stiftende, durch neue Einsichten und Entwicklungen relativieren oder hinterfragen zu müssen.
Die Grundangst des zwanghaften Menschen ist die vor der Vergänglichkeit Sie befällt ihn umso heftiger, je mehr er sich gegen sie abzusichern versucht.
Alle Änderungen erinnern ihn an die eigene Vergänglichkeit.
Daher sucht er, immer das Gleiche, schon Bekannte und Vertraute wiederzufinden oder wiederherzustellen.
Wenn sich etwas verändert, fühlt er sich gestört, beunruhigt, ja geängstigt.
Er wird deshalb versuchen, Veränderungen zu unterbinden, aufzuhalten oder einzuschränken, wenn es geht, zu verhindern und zu bekämpfen…. “ (Quellen: Fritz Riemann Grundformen der Angst 1976)
Nicht verwunderlich, geradezu zwangsläufig ergibt sich bei solchen bedauernswerten Menschen, die sich in Führungspositionen befinden, die Neigung bestimmter anderer Personen, die sich in deren Nähe befinden einer großen Versuchung ausgesetzt zu sein.
Sie erkennen Zug um Zug, im Laufe der Zeit immer deutlicher die eigentlichen Wesensmerkmale und gravierenden Defizite dieser im Grunde bedauernswerten Person.
Sie stellen sich darauf ein, entwickeln allmählich eine Strategie Ihr den Eindruck von Sicherheit und Kontinuität zu vermitteln.
Alles bliebe in Grunde beim Alten, Neuerungen wären lediglich Äußerlichkeiten die man verbreite um das Althergebrachte bewährte zu bewahren.
Man macht Ihr kleine persönliche Geschenke um Ihr Wertschätzung zu zeigen.
Kleine Geschenke unauffällig, wohl wissend, daß die betreffende Person bis hin zu Verfolgungsphantasien, misstrauisch gegenüber allem ist was Ihr begegnet.
Es werden Meeting, Besprechungen, Tagungen regelrecht dergestalt inszeniert.
Alles soll sagen. Beruhige Dich alles bleibt beim Alten.
Sie sind weiterhin an der Spitze.Sie haben die Zügel nach wie vor fest in der Hand.
Diese kluge, nun sagen wir eher bauernschlaue Strategie, so sie denn begonnen worden ist einmal robust installiert, recht bequem. Man muss eigentlich nur alles beim Alten lassen und abwarten.
Solange zuwarten bis die betreffende Person so weit und so verzweifelt ist, daß Sie offensichtlich nicht mehr zu halten ist.
Dann finden sich schnell, sogar nachvollziehbare offensichtliche Gründe, sie zu stürzen.
Diese eigenen und fremden Manöver zum Machterhalt, zur verzweifelten Abwehr manifester innerer Zweifel, Ängste und Zwänge sind immer skurriler geworden, bewegten sich immer weiter weg von der Wirklichkeit.
Letztlich tritt das ein, was eintreten musste.
Sie selbst wurde Opfer Ihrer eigenen Machenschaften und musste abtreten.
Man könnte sagen, daß ist Machtpolitik, daß ist eine machiavellistische Strategie zur Machtgewinnung.
Mag sein…….. .
Aber ist sie deswegen vertretbar, ist Sie deswegen zu tolerieren, gar zu billigen?
Darüber mag der geneigte Leser selber entscheiden.
Arme, arme Frau M.
Er war steht’s in tadelloser gekleidet.
Schlank, recht groß von Statur, graues Haupthaar, markantes Gesicht, betonte Kinnpartie. R.i.P
Eine attraktiver Mann im besten Alter.
Steht’s moderne Krawatte, weißes Hemd sehr gut sitzendes Jackett meistens in hellen Grautönen, Die Hose dazu passend, elegant eng geschnitten in der Regel ein wenig heller als das Jackett. Der Gürtel zur Hose immer elegant, echtes Leder niemals auffällig.
In seiner ganzen Erscheinung elegant, seriös aber nie konservativ.
Alles in allem eine sympathische Erscheinung.
Vor allem die Frauen konnte er bezaubern.
Es wurde berichtet, das weibliche Mitarbeiterinnen, verließen Sie besprechungshalben sein Büro immer ganz glücklich und leuchtenden Augen die Stufen herunterschwebten. Dies soll keinesfalls despektierlich gemeint sein.
Er wirkte auf seine Weise, nun man kann sagen in einem gewissen Sinne charismatisch.
Ein Machtmensch, nein das war er nicht. Vielmehr liebte er die öffentlichen Auftritte um zu gefallen, um sein Ego zu streicheln.
Dann glänzte er, redete verständlich benutzte keine Fremdwörter, steht’s souverän und elegant im Auftreten.
Er liebte es die Zustimmung zu fühlen, steigerte seine Freundlichkeit noch und kam um so besser an. Er umgarnte seine Zuhörerschaft die Ihn dafür bewunderten.
Seine innere Anspannung verbarg er. Nur gelegentlich auftretende Schweißflecken unter den Achseln zeugten davon. Aus diesem Grunde vermied er steht’s sich bei solche Auftritten seines Jacketts zu entledigen.
Auf Kritik hingegen reagierte er äußerst dünnhäutig. Er verlor sehr schnell seine Kontenence, es bröckelte merklich, von smartem souveränem Auftreten blieb nichts.
Er wurde laut, verletzend, persönlich, drohte.
Wagt man, nach Fritz Riemann eine Einordnung seiner Persönlichkeit wäre folgendes zu konstatieren:
„Hysterische Persönlichkeiten
Sie erfreuen sich, wie Riemann es nannte, an dem „Zauber des Neuen“, suchen das Risiko, streben nach Freiheit und Veränderung und haben besondere Freude daran, Unbekanntes zu entdecken. Wird dieses Streben überwertig, stellen sich Angst vor Endgültigkeit und Unausweichlichkeit, vor Notwendigkeiten und Begrenztheit ein. Charakteristisch für diese Persönlichkeiten ist ein „kurzer Spannungsbogen“.Jeder Impuls, jeder Wunsch muss möglichst sofort befriedigt werden, weil Warten unerträglich ist. Darin liegt ihre große Verführbarkeit – sie können Versuchungen schwer widerstehen.
Mit einer „erstaunliche[n] Naivität“ würden diese Menschen an Patentlösungen und gern auch Wunder glauben, weil sie helfen, einer Wirklichkeit zu entkommen, die Grenzen setzt und die Freiheit einschränken kann. Über die Konsequenzen eigenen Tuns mögen sie sich keine Klarheit verschaffen und neigen dazu, sich ihnen ideenreich zu entziehen. Pünktlichkeit und planvolles Handeln halten sie für kleinlich, Verantwortungsübernahme für verzichtbar und den unverkennbar die eigene Endlichkeit anzeigenden Alterungsprozess versuchen sie durch jugendtümliches Verhalten und entsprechende Kleidung zu verleugnen. In ihrer Angst versuchen diese Menschen möglichst alles in der Schwebe zu halten und für relativ zu erklären. Und weil sie dem Augenblick den Vorzug vor Kontinuität geben, spielen sie Rollen und laufen Gefahr, eines Tages nicht mehr zu wissen, „wer sie selbst sind“.
In der Liebe seien hysterische Persönlichkeiten nach Riemann leidenschaftlich und fordernd, stets auf grenzüberschreitende Erfahrungen bedacht, aber wenn sie allein sind, langweilen sie sich schnell. Als Partner sind sie phantasievoll und verspielt, doch selten treu. In ihren Beziehungen könne der hysterische Mensch sein Gegenüber nicht als eigenständig anerkennen, sondern versteht ihn als „Spiegel, in dem er sich als liebenswert gespiegelt sehen will“. Es finde sich eine Neigung zur narzißtischen Partnerwahl, weil im Partner gesucht wird, was im Selbst nach Bestätigung verlangt.
Aggression stehe bei hysterischen Persönlichkeiten im „Dienst des Geltungsstrebens“. Diese Menschen rivalisieren und konkurrieren gern. Sie wollen andere Menschen beeindrucken und übertreiben dabei nicht selten. Weil Selbstkritik und Selbstkontrolle nicht zu ihren Stärken gehören, sind sie auch in ihrem aggressiven Verhalten recht impulsiv und ungesteuert. In Auseinandersetzungen überrumpeln sie gern und würden, so Riemann, nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung handeln. Wegen ihres leicht störbaren Selbstwertgefühls sind sie schnell kränkbar und reagieren auf subjektiv erlebte Kränkungen recht heftig, auch mit Vorwürfen, die mit der Sache nichts zu tun haben.“ Quelle: Fritz Riemann Grundformen der Angst 1974
An einem kalten Novembernachmittag. Es ist zugig und nasskalt in den Straßen der Stadt. Ein kalter Wind weht von Nordost die städtische Durchgangsstraße entlang. Er treibt nasse Schneeflocken vor sich her. Der vor Tagen schon gefallene Schnee liegt schwer und schmutzig zusammengeschoben am Strassenrand und auf den Gehsteigen.
Eine Autoschlange bewegt sich träge die Strasse entlang. Ein Lindwurm bunt in allen Farben zwischen gelb und rot flackernd.
Im festen Rythmus stoppt er zuweilen an Ampelanlagen um sich dann wieder ebenso träge in Bewegung zu setzen.
Abgasschwaden wabern aus den Auspuffanlagen von Autos und Bussen. Es riecht nach unverbranntem Diesel, Teer, und zuweilen wiederlich nach Ammoniak der den Kanaldeckeln entsteigt. Es ist dieser typische Stadtgeruch der in den Wintermonaten vielen Innenstädten eigen ist.
Nun, dunkles Sakko, hellere Beinkleider, weißes Hemd, Krawatte passend, ein hellbrauner dezent gemusterter Schal, modisch drapiert um den Hals.
Wie immer perfekt gekleidet, erscheint er.
Er hatte das gegenüber liegende Parkhaus benutzt um seinen Dienstwagen zu parken. Links bei Ihm eingehängt, eine junge Frau sehr attraktiv, brünett mit einem modischen Mäntelchen gekleidet, ein dezenter Pelzbesatz umrahmten die Kapuze, die Sie keck zur Hälfte über Ihren hübschen Kopf gezogen hatte.
Das Pärchen unterhielt sich angeregt, zuweilen blickten Sie sich an und lächelten.
Über die Brücke hinweg, links ein Kinogebäude, ganz in Glas, in postmoderner Grossstadt Architektur gestaltet.
Es war diese Form der Architektur, die sich immer mehr breitmachte um auch in der Provinz einen großstädtischen Flair zu suggerieren.
Ein Architektur bei der die Wirkung auf den Hinschauenden im Vordergrund stehen soll.
Also nicht:
Form follows function, sondern im Gegenteil, Function follows Form.
Eine Architektur die auf Wirkung auf den Menschen ausgelegt ist. Ob sich Menschen in so einem Gebäude wohlfühlen ist zweitrangig.
Rechts gleich daneben ein Dönerladen der eher gehobenen Klasse.
Nun nur noch behende über die vielbefahrene Durchgangsstraße.
„Hallo Wilfried, das ist also unser neues „Frontoffice“. Passt wunderbar. Schön groß. Ebenerdig viel Laufkundschaft. Muss innen noch was umgebaut werden, mach am Sonntag Mal einen Plan.“
Grundsätzlich pflegte er Mitarbeiter mit dem Vornamen anzureden. Namensverwechslungen kamen dann häufig vor, so auch in diesem Falle.
Sein Blick dabei ununterbrochen auf das ebenerdige großzügige Ladenlokal.
„Was ist denn mit dem „Backoffice“? Backoffice ist wichtig sehr wichtig. Verwaltung und Kunden müssen getrennt sein, immer. Und hier:“ Er wieß dabei auf die Ladenfront.
„Koperateidenidie“ noch wichtiger. Wo wir drauf sind, da müssen wir auch drin sein.
Ganz wichtig, ist früher immer vernachlässigt worden, ich hab da schon was, vorigen Sonntag ausgedacht, ist schon beim Grafiker, der muss nicht mehr viel dran machen.“
Wilfried nickte, seine charmante Assistentin lächelte.
„Los geht’s, wo ist das Backoffice und der Ladenbesitzer wo ist er? Der Herr D. Ist im dritten Stock, er wartet dort auf uns.
„Also auf geht’s!“
Wilfried öffnete gleich links neben der Ladenfront eine Glastür. Bitteschön“
Sie betraten ein geräumiges Treppenhaus, erbaut im Stil der 70er Jahre, mit den unvermeidlichen Treppenstufen aus geschliffenem Terazzostein.
Die Atmosphäre dort wirkte muffig, spießig, gewöhnlich, was auch mit die Glasbausteinen zu tun hatte, die ebenfalls verbaut waren und nur ein diffuses, dämmriges Licht hineinließen.
Wieder rechts zum Aufzug.
Die Türe öffnete und schloss sich mit jenem üblichen schleifenden Geräusch.
Alle hinein, es wurde eng.
Sofort breitete sich der Duft seines teuren Rasiewassers aus, unterlegt mit dem Parfüm seiner Assistentin, das eher grasig mit einem Hauch von Moschus angenehm wahrgenommen werden könnte Beide Düfte zusammen ergaben jedoch irgendwie eine Mischung von Geruch erzeugte der irgendwie halbseiden daherkam. Sowas von, mehr scheinen als sein. Wilfried blickte zu Boden, seine Assistentin lächelte.
Lassen wir Fritz Riemann nocheinmal zu Worte kommen:
Für die Entstehungsgeschichte hysterischer Persönlichkeitsmerkmale warf Riemann, wie auch für die anderen Persönlichkeitsstrukturen zunächst einen Blick auf Faktoren, die als anlagebedingt angenommen werden können. Er ging davon aus, eine verstärkte emotionale Ansprechbarkeit und ein erhöhtes Geltungsbedürfnis könnten ebenso angeboren sein wie ein besonders ausgeprägter Wunsch, sich mitzuteilen. Auch könnten Eigenschaften beteiligt sein, die in der Regel auf Sympathie stoßen. Ansonsten wird auf Erkenntnisse der Psychoanalyse verwiesen, nach denen insbesondere die Zeit zwischen etwa dem vierten und sechsten Lebensjahr und die währenddessen gesammelten Erfahrungen Einfluss auf den Umfang hysterischer Strukturelemente in der Persönlichkeit nehmen. Mehr als in den davor liegenden Zeiten der Entwicklung spielen hier Vorbilder aus der Welt der Erwachsenen eine zentrale Rolle. Die Frage, wie sie mit den Eigenarten des Kindes und seinem Stolz, aber auch der inzwischen gereiften kindlichen Kritik umgehen, beeinflusst die Möglichkeiten des Kindes, sie als Vorbilder anzunehmen und von ihnen zu lernen, oder sie zurückzuweisen. In dem Maß, in dem das Kind in dieser Zeit, in der „das Bedürfnis nach Führung und Vorbildern am stärksten ist“, mit diesen Wünschen im Stich gelassen wird, entwickelt sich eine mehr oder minder stark ausgeprägte hysterische Persönlichkeitsstruktur oder es wird gar die Grundlage für eine spätere hysterische Erkrankung geschaffen. Eines der Risiken dieser Menschen besteht darin, sich einerseits aus der Identifikation mit ihren Vorbildern oder andererseits aus der Rebellion gegen sie nicht lösen zu können und darin gleichsam stecken zu bleiben. Das hindert sie an der Entwicklung einer eigenständigen, unabhängigen Identität, ggf. auch ihrer Geschlechtsrolle.
Quelle: Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 – Wikipedia
Die Aufzugtüre öffnete sich. Im Treppenhaus, wartete bereits der Eigentümer.
„Darf ich vorstellen, das ist………. .“ bemerkte Willfried sehr verhalten, kam damit aber nicht weiter.
„Da ist ja der Chef, hab’s mir schon gedacht. Gestatten Waghals mein Name. Hans Adolf Waghals, der Hauptgeschäftsführer von dem Ganzen hier.“
„Herzliche Willkommen Herr Waghals…… . Ich bin der Eigentümer dieser Immobilie hier…… .
„O danke. Hab ich gleich gesehen, daß Sie der Chef sind.
Die Immobilie passt genau zu uns.
Muss noch einiges geändert werden. Kein Problem für uns. Telefoniere gleich mit unserem Fäksiliti Manager. Der hat seine Leute für sowas.
Ach ja die Miete. Darüber müssen wir noch verhandeln.“
Ein Stück vom Aufzug noch bis zu einer verschlossenen Türen.
„Ach hier die Türe, breit genug. Passt ein Rollstuhl durch. Barrierefrei. Das ist wichtig. Herr Schnäpflein (diesmal den Nachnamen verdreht) gleich aufschreiben.“
Unter der zuvor verschlossenen Türen erstreckte sich ein großer Raum, annähernd 100 Quadratmeter groß.
„Oh super genau die richtige Größe für uns Backoffice. Ich sage Ihnen: Wer heute nicht expandiert hat schon verloren.“
Dabei blickte er aus dem großen Fenster auf ein vorgelagertes Flachdach. Es war mit reichlich nassem Schnee bedeckt.
Der Vermieter, froh auch etwas beitragen zu können, verwies auf die gestiegene Dachlast bei solchen winterlichen Witterungsverhältnissen.
Ah ja das kenne ich. Wir haben NRW weit viele Häuser, auch solche mit Flachdach. Da muss man handeln. Nasser Schnee ist schwer.
Herr Schnäpflein schauen Sie gleich mal auf dem Computer nach. Bei Google oder so:
WIEVIEL WIEGT EIN KILO SCHNEE…….. ?“
Anmerkungen zum Text:
Es handelt sich hierbei um eine metaphorische Erzählung. Das Adjektiv metaphorisch bedeutet, dass eine Formulierung in übertragener Bedeutung und somit bildlich verwendet wird und dass etwas Metaphern gebraucht, wie etwa ein Text oder eine Rede und demnach vom Einsatz der Stilfigur geprägt ist. Dies kann als metaphorischer Stil bezeichnet werden.
Die beschriebenen Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen wären rein zufällig.
Die Küche ist schon aufgeräumt. Sorgsam gewischt. Geschirr gespült. Schließlich wird Besuch erwartet: Der mobile Podologe kommt.
Und nicht nur der. Notleidende Gäste sind ebenso eingeladen.
Geschwister, Tanten, Nachbarn, Witwen, Freunde, all jene deren Füße brennen, drücken, schmerzen.
Man hat sich abgesprochen. Jeder ist mal dran um den kundigen Podologen samt mobiler Praxiseinrichtung zu beherbergen.
Hühneraugen sind gediehen. Erheben sich, bilden hornige Schwielen, röten sich und bilden warzige Erhöhungen.
Recht unansehnliche schuppige Hornschichten sind an Fersen und Zehen gewuchert.
Nun ja, wunde Füße sind eine Qual. Da muss ein guter Mensch herbei der sich aufs Nägelschneiden gut versteht.
Der schneidet, hobelt, raspelt, pflegt.
Ein Wellnessprogramm, ein Jungbrunnen für die Füße.
Die Küche frisch gewischt, es duftet nach frisch gekochten Bohnenkaffee, der Duft von frisch gebackenen Napfkuchen erfüllt den Raum der nun fast bereit ist sich in eine ambulante podologische Praxis zu verwandeln.
Eine Weile vorher schon, man ist ja schon in Rente, die übliche Unterhaltung.
Sterbefälle, die Eigenen und des Nachbars Erkrankungen.
Mühen mit der Verdauung, Probleme beim Wasserlassen….. .
Wer heiratet in Kürze, wer lebt ohne Trauschein zusammen, wer geht fremd, wer lässt sich scheiden.
Der Pfarrer, der am Sonntag wieder mal nicht das wahre Evangelium verkündigt hat.
Nun es ist soweit der Füsseschneider (Podologe) kommt.
Ganz bescheiden im Kleinwagen.
Weiß gekleidet, wie sich’s gehört, zwei große Taschen in den Händen.
„Guck, der Füsseschneider kommt!“ raunt es durch die Runde.
Man hatte Ihn schon vorher erblickt, nur noch ein kleines Weilchen. Zeit genug sich auf den helfenden Gast einzustellen.
Ein letztes richten der Kittelschürze, die Hände fahren nochmal vorsichtig durch die Haare.
Die Männer betont lässig und unaufgeregt. Mann will ja nicht zeigen, das Aufregung aufkommt.
Ein räuspern noch ein hüsteln, die Haustürglocke klingelt, die Frau im Hause drückt den Knopf zum Türe öffnen.
„Einen wunderschönen Tag Frau Heizkörper, ach ja wir hatten uns ja auf Anni geeignet. Wie ist den das Werte Befinden?“
Die Frau des Hauses strahlt erst und lächelt dann ein wenig verschämt.
Solche herzliche Begrüßung ist man nicht gewohnt in diesen Kreisen.
Der ersehnte Gast bescheiden, ganz unprätenzenziös sehr zugewandt, gleichzeitig aber auch sehr professionell im Auftreten.
Was nun folgte:
Vor Beginn der Behandlung, die Füße sorgsam ins Fussbad. Zu diesem Zwecke hatte er sorgsam wie er war eine viereckige Schüssel mitgebracht und neben lauwarmen Wasser, welches die Dame des Hauses bereit gestellt, mit duftendem Badesalz ergänzt. Ein Wohlgeruch bereitet sich in der Küche aus. Ein wenig Fichtenzapfen mit einer Spur Veilchen und Zitrone.
Die erste, natürlich die Gastgeberin. Hausschuhe, Strümpfe ausziehen. Die Füße endlich Mal aus ihrem Gefängnis aus Leder und Wolle befreien.
Das geht nicht, auch nicht bei der steht’s reinlichen Hausfrau, ohne einen gewisse Duftentfalt ab. Ein wenig muffig, und ganz wenig Camembert.
Dann das wohltuende Fussbad. Nicht zu heiß und nicht zu kalt, ganz gekonnt von Füsseschneider bereit.
Nach 3 bis 4 Minuten die Füße aus dem Bade. Wieder, ja fast zärtlich von, nun nennen wir Ihn Theo, herausgehoben und sorgfältig abgetrocknet, auf einen bereitstehenden Schemel vorsichtig gebettet.
Die Zehennägel, ja diese Zehennägel.
Auf eine eigentümliche Weise erzählen sie, für den aufmerksamen Betrachter, vieles über die Lebensgeschichte des Patienten.
Fast übergangslos, so als wolle Theo damit nicht ängstigen, begann er vorsichtig und behende mit einem Skalpell so zu arbeiten, das überflüssige Hornhautschichten weil vom Fussbade weich geworden ohne Mühe abgetragen werden konnten.
Wie kleine Butterflöckchen glitten sie zu Boden, der vorher mit weißen saugenden Krepppapier ausgelegt worden war.
Die Zehennägel ganz behende, mittels einer dafür sehr geeigneten Zange, mit einem vernehmlichen Knack gekürzt.
Er nimmt sich Zeit für diese Arbeit. Behutsam, besonnen und immer freundlich blickend versieht er sein difizieles Handwerk.
Nur zu leicht schneidet man dabei ins „Leben“ wie man sagt, was Ihm, dem Fachmann, fast nie passiert.
Dann nur ganz sachte und vorsichtig das „Nagelhäufchen“ zurückgeschoben.
Dann ganz vorsichtig, die überstehenden Nagelhautchen zurück geschoben.
Mancher Zehennagel ist im Verlauf der Jahre schon arg mitgenommen, vom gehen, laufen stehen eingehängt in ledernen Hüllen.
Zuweilen, an den Rändern gelblich gefärbt, auch in der Mitte gebrochen.
Und dann, leider der Super Gau für alle Zehennägel.
Der Nagelpilz der sich einmal eingenistet, meistens ein Leben lang ein ungebetener Hausgast bleibt.
Die Nägel beginnen allmählich spröde, brüchig zu werde. Mit fortgeschrittenem Verlauf, dann zerbröseln sie regelrecht von aussen ganz allmählich nach innen.
Sehr unangenehm, sehr unansehnlich.
Mit Leidensmiene dann, blickt die betagte Witwe, inzwischen in Behandlung, auf Ihren großen Zeh.
Zug um Zug nun, sind alle leidenden Füße behandelt.
Kastanienduft erfüllt nun den Raum.
Der gute Mensch pflegt schließlich die zuvor Wunden Füße mit einem sahnigen Schaum aus einer Sprühdose.
Ein sahniger duftender Schaum entsteht, unglaublich wohltuend und herrlich duftend.
Dieser dringt schnell ein, beseitigt sogleich dieses unangenehme Spannungsgefühl an den Füßen.
Erleichterung und Dankbarkeit machen sich breit.
„Ein Stückchen Kuchen und ein Tässchen Kaffee?“
„Ja, danke aber nur ein nur ein kleines, muss ja noch weiter.“ Dabei räumte der liebenswürdige Mensch bereits sein chirurgisches Handwerkszeug zusammen.
Er, Menschenfreund, ein Humanist durch und durch.
Bescheiden wie er angekommen war, zog er sich zurück.
„Auf Wiedersehen die Herrschaften, wir sehen uns in sechs Wochen.“
Zum Kampftag der Arbeiterklasse
Karl Marx. Er war einer der größten Denker des 19. Jahrhunderts:
„……Linke Ideen, auch der radikaleren Sorte, sind in vielen westlichen Ländern wieder populär – bis hin zur Verstaatlichung von Teilen der Wirtschaft. Gibt bessere Antworten auf aktuelle Probleme…..?“
Quelle:
Zitate:
„Aller Mehrwert, in welcher besondern Gestalt von Profit, Zins, Rente usw. er sich später kristallisiere, ist seiner Substanz nach Materiatur unbezahlter Arbeitszeit.“
„Der Arbeitslohn wird also durch dieselben Gesetze bestimmt, die den Preis jeder andern Ware bestimmen.“
Rilke und das Thema Inklusion? Wie weit ist das denn hergeholt? Idealistische Spinnerei? Bildungsbürgerliche Gedankenverrenkung von spinnerten Erziehungswissenschaftlern, Sonderpädagogen und Sozialarbeitern? Braucht die „Behindertenhilfe ein neues Narrativ?
Neugierig geworden? Lesen Sie bitte meinen nachfolgenden Blogbeitrag:
1. Die Teilhabe an allen Bereichen unserer Gesellschaft ein wesentlicher Ausdruck von Inklusion.
2. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So steht es in Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Gleichbehandlung und die Förderung von Chancengleichheit als eine Voraussetzung für Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen stehen deshalb im Zentrum der Behindertenpolitik der Bundesregierung.
3. Die Vorschrift bindet als individuelles Grundrecht Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung unmittelbar, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Ländern und Gemeinden sowie sonstigen Institutionen und Organisationen der „öffentlichen Gewalt“. Auf Rechtsbeziehungen zwischen Privaten wirkt das Benachteiligungsverbot mittelbar, indem es bei der Auslegung und Anwendung bürgerlichen Rechts berücksichtigt werden muss.
4. Mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGBIX, 2001) und dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, 2002) wurden grundlegende gesetzliche Voraussetzungen zur Umsetzung des Benachteiligungsverbots des Grundgesetzes und für eine verbesserte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geschaffen. Im SGB IX wurde das zersplitterte Recht zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen sowie das Schwerbehindertenrecht zusammengefasst und weiterentwickelt. Dabei trägt das SGB IX dem Grundsatz des selbstbestimmten Lebens und der Eigenverantwortlichkeit behinderter Menschen Rechnung und löste das bisher an Fürsorge und Versorgung behinderter Menschen orientierte Prinzip ab. Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz wird das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes umgesetzt: Das BGG regelt Barrierefreiheit in einem umfassenden Sinn und erkennt die Deutsche Gebärdensprache, die lautsprachbegleitenden Gebärden an sowie das Recht, diese und andere geeignete Kommunikationsformen zu verwenden.
5. Der Paradigmenwechsel, der in der Behindertenpolitik in Deutschland insbesondere mit dem SGB IX und dem BGG eingeleitet wurde, wurde mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fortgesetzt. Das SGB IX bietet bereits einen weitgehenden Schutz für schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben, das AGG weitet diesen Schutz jetzt auf alle Menschen mit Behinderung aus. Er erstreckt sich auf alle Bereiche des Arbeitslebens. Dieser Schutz reicht von der Bewerberauswahl über den Zugang zu beruflichen Bildungschancen bis hin zu Beförderungen. Im Alltagsleben wirkt das Gesetz Diskriminierungen bei so genannten Massengeschäften – z.B. bei Kaufverträgen, Hotelbuchungen und Ähnlichem – entgegen und verbietet Benachteiligungen auch bei privaten Versicherungen.
6. Die nationale Politik der Bundesregierung findet mit dem VN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung seine Entsprechung auf internationaler Ebene. Deutschland hat das VN-Übereinkommen und das Zusatzprotokoll als einer der ersten Staaten am 30. März 2007 unterzeichnet und, nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen mit dem Ratifizierungsgesetz am 1. Januar 2009 geschaffen wurden, am 24. Februar 2009 mit Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in New York ratifiziert. Seit dem 26. März 2009 sind VN-Übereinkommen und Zusatzprotokoll für Deutschland verbindlich. Das Übereinkommen als erstes universelles Rechtsinstrument, ist auf die Lebenssituation von weltweit über 600 Millionen behinderten Bürgerinnen und Bürgern zugeschnitten, es definiert soziale Standards, an denen die Vertragsstaaten ihr politisches Handeln zukünftig messen lassen müssen. Ein gesellschaftlicher Wandel ist damit vorgezeichnet. Dieser Wandel ist von klaren Zielen bestimmt: Dabei geht es um Teilhabe, Selbstbestimmung und uneingeschränkte Gleichstellung. Es geht um das Ziel, alle Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen führen zu können. Und es geht um Politik, die die berechtigten Ansprüche und die Rechte der behinderten Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt.
6. Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkretisiert die allgemeinen Menschenrechte aus der Perspektive der Menschen mit Behinderungen und vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Lebenslagen, die im Menschenrechtsschutz systematische Beachtung finden müssen. Damit stellt das Übereinkommen einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Rechte behinderter Menschen weltweit dar. Es würdigt Behinderung als Teil der Vielfalt menschlichen Lebens und überwindet damit das noch in vielen Ländern nicht mehr zeitgemäße Prinzip der Fürsorge. Das Übereinkommen und sein Fakultativprotokoll sind für Deutschland seit 26. März 2009 verbindlich.
7. Zur konkreten Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan erarbeitet, der die Ziele und Maßnahmen der Bundesregierung in einer Gesamtstrategie für die nächsten zehn Jahre zusammenfasst. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen, Chancengleichheit in der Bildung und in der Arbeitswelt herzustellen und allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit auf einen selbstbestimmten Platz in einer barrierefreien Gesellschaft zu geben. Bei der Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans hat die Bundesregierung großen Wert darauf gelegt, die Zivilgesellschaft – insbesondere behinderte Bürgerinnen und Bürger – einzubeziehen und ihre Visionen, Ideen und Vorschläge für Maßnahmen aufzugreifen.
8. Quo vadis Inklusion?
8.1 Braucht die „Behindertenhilfe“ ein neues Narrativ?
„Menschen lieben Geschichten – Wir hören sie an, erzählen sie selbst und erfahren dabei viel über uns, andere und die Welt, in der wir leben.
Methoden, in denen Geschichten im Mittelpunkt stehen, bieten auch für die politische Bildung und das Thema nachhaltige Entwicklung ein großes Potential.
Das Erzählen von Geschichten ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft.
Im Gegensatz zu analytisch-wissenschaftlichem Denken, das auf klar abgegrenzten Fakten beruht und zu eindeutigen Feststellungen führt, geht es beim narrativen Denken um den größeren Zusammenhang – um Kontext, Relevanz und Sinn. Beide Denkweisen bieten einen jeweils spezifischen Zugang zur Welt.
Es ist ein Wesensmerkmal unserer Kultur, dass wir dem analytisch-wissenschaftlichen Denken eine große Bedeutung zumessen.
Denn es hilft uns, die Dinge berechenbar zu machen, sie in den Griff zu bekommen. Das geht im Extrem so weit, dass nur wissenschaftlich-exaktes Wissen als wahr angesehen wird. Damit sind wir weit gekommen. Auf der anderen Seite erleben wir gerade die diffusen und vielschichtigen Angelegenheiten in unserem Leben (wie zum Beispiel die Liebe) als durchaus wahrhaftig – auch wenn sie hochgradig subjektive Erfahrungen darstellen und nicht exakt vermessbar sind. Angesichts der komplexen Struktur unserer Wirklichkeit lässt sich Exaktheit dementsprechend nur durch die Isolation des herausgegriffenen Sachverhalts erreichen. Mit dem fortschreitenden Herauslösen aus dem Kontext verringert sich aber auch der Relevanzgehalt, weil größere Beziehungs- und Bedeutungszusammenhänge verloren gehen. Um Sinn zu schaffen, brauchen wir den ’narrativen Modus‘.“
8.2 Die Lebenshilfe Möglichkeitsdenker: Ein nachahmenswertes Beispiel narrativen nachhaltigen öffentlichen Handelns – Menschen mit Lernschwierigkeiten sind den Weg des öffentlichen Gesprächs, des konstruktiven Diskurses, gegangen.
Die Möglichkeitsdenker, bei der Lebenshilfe Lüdenscheid, sind bereits in konkreter Planung, und suchen den Weg des öffentlichen Diskurses, vor allem bei wichtigen sozialpolitischen und ethischen Themenbereichen.
Eines der drängensten Themen unserer Zeit, den konstruktiven Dialog zwischen Judentum, Christentum, Islam und Humanismus, sind im Jahre 2015 bei insgesamt 5 öffentlichen Veranstaltungen diskutiert worden.
Das Narrativ, die Geschichte dazu, war die Bearbeitung und öffentliche szenische Aufführung der Ringparabel in leichter Sprache aus dem Theaterstück Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing
Die Möglichkeitsdenker entwickelten sich aus verschiedenen Projekten zum freiwilligen bürgerschaftlichen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer Region, begonnen im Jahre 2006.
Dort vollzog sich auch innerhalb des praktischen sozialpädagogischen Handlungsfeldes eine eindeutige Hinwendung zur Gemeinwesenarbeit.
Gleich zu Anfang entwickelte sich ein alle zukünftigen Bemühungen zusammenfassendes Narrativ.
Es war ein Gedicht von Rainer Maria Rilke einer der bekanntesten Lyriker der Romantik nämlich: „Werkleute sind wir…“
Es handelt sich dabei, das sei an dieser Stelle erwähnt auch um eines meiner Lieblingsgedichte.
Dass ein solches Gedicht, aus der bildungsbürgerlichen Hochkultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zum vielfältig zitierten Narrativ wurde und all unsere Bemühungen und Entwicklungsschritte begleitete freut mich ganz besonders.
Wiederlegt es doch glänzend die oft geäußerte und ausgrenzende Auffassung, das solche lyrisch anspruchsvolle Texte diesem Personenkreis per se nicht zugänglich seien.
Auch aus diesem Grunde sei es auch an dieser Stelle wieder einmal zitiert:
„Werkleute sind wir………..*
Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister, und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister, geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.
Wir steigen in die wiegenden Gerüste, in unsern Händen hängt der Hammer schwer, bis eine Stunde uns die Stirnen küsste, die strahlend und als ob sie Alles wüsste von dir kommt, wie der Wind vom Meer.
Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.
Gott, du bist groß. „
*Rainer Maria Rilke, 26.9.1899, Berlin-Schmargendorf
Rainer Maria Rilke
Referenten an der Universität Siegen:
4 Selbstvertreter der Lebenshilfe Lüdenscheid waren am
28.01.2019 zu Gast an der Uni Siegen, um dort einige unserer Projekte, u.a. das Peer Counseling und unser Büro für Leichte Sprache, vorzustellen.
Die Studierenden des Bereichs Sozialpädagogik waren sehr interessiert.
Folge dem Link:
https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=2105528702859864&id=397856010293817
Neujahrsempfang der Lebenshilfe Lüdenscheid am 20.012019
Folge dem Link:
https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=10210145944804632&id=1818827632
Vatertag an Himmelfahrt am 25. Mai 2017:
Das ist einfach wunderbar.
Schon jetzt 2000 Gäste 😀
Alle Arbeiten mit.
Das ist Inklusion.
Das ist praktisch.
Davon können wir viel lernen.
Und es macht sehr viel Spaß 😊
Bitte mit machen nach machen und vorbei kommen.
Wer nur das eine immer wieder fragt sein Leben lang:
„Was bringt mir das?“
Der ist ein armer Wicht.
Der hat verlorn all das was wirklich wichtig ist.
Der Mensch lebt nie für sich allein.
Und tut ers doch dann gerät er schnell
zum Hedonisten
und zum Utilitaristen.
Er sagt dann:
„Ich handle so, dass für mich das größtmögliche Maß an Glück entsteht!
Diese inzwischen weitverbreitet Lebenseinstellung führt zu verhängnisvollen Entwicklungen in den modernen spätkaptalistischen Gesellschaften der westlichen Welt.
Hinzu kommt, was noch weit schlimmer ist:
Weniger entwickelten Gesellschaften fügt er dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden an Leib und Leben zu.
1.Die negativen Auswirkungen des kapitalistischen Systems
Heiner Geissler sagt dazu folgendes:
Heiner Geissler
„Die negativen Auswirkungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems auf die Menschen sind nicht erst seit der Finanzkrise evident. Seit Jahren argumentiere ich, oft ausgelacht und absichtlich missverstanden, in fast jeder Talkshow, jedem Vortrag gegen diese Wirtschafts»ordnung« und ihre absehbaren Folgen.
Demokratische Entscheidungen wurden durch die Diktatur der internationalen Finanzmärkte ersetzt, und nach ihrem Zusammenbruch sind die Staaten gezwungen, sie zu retten.
Hundert Millionen von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen in Europa und den USA und drei Milliarden Arme, die zusammen jährlich ein geringeres Einkommen haben, als die 400 reichsten Familien der Erde an Vermögen besitzen, sind geeint in der Angst vor der Zukunft, aber auch in der Wut, dem Abscheu und dem tiefen Misstrauen gegenüber den politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Eliten, die ähnlich den Verantwortlichen in der Zeit des Übergangs vom Feudalismus in die Industriegesellschaft offensichtlich unfähig waren und teilweise immer noch sind, die offenkundigen Fehler des kapitalistischen Systems zu erkennen und die unausweichliche Globalisierung der Ökonomie human zu gestalten.
Die Menschen sind Opfer einer Shareholder-Value-Ökonomie, die keine Werte kennt jenseits von Angebot und Nachfrage, die Spekulanten begünstigt und langfristige Investitionen behindert.
Die Staatsmänner der westlichen Welt ließen sich von den multinationalen Konzernen und den Banken erpressen und gegeneinander ausspielen: Verantwortlich ist ein Meinungskartell von Ökonomieprofessoren und Publizisten, die meinen, die menschliche Gesellschaft müsse funktionieren wie ein Industriekonzern, und die sich beharrlich weigern anzuerkennen, dass der Markt geordnet werden muss, dass auch global Regeln einzuhalten sind und Lohndumping die Qualität der Arbeit und der Produkte zerstört.
Jetzt spürt jedermann die Folgen einer Wahnidee, die schon in den zwanziger Jahren die Weltwirtschaftskrise verursachte, nämlich des Irrglaubens, die Gesetze und Selbstheilungskräfte der Märkte würden alle Probleme von selbst lösen.
Das Spannungsverhältnis zwischen Kapital und menschlicher Arbeit, einschließlich Forschung und Innovation, ist geblieben.
Die Kommunisten hatten versucht, den Konflikt dadurch zu lösen, dass sie das Kapital eliminierten und die Kapitaleigner liquidierten.
Bekanntlich sind sie damit gescheitert. Der Kapitalismus eliminiert die Arbeit und liquidiert die Menschen am Arbeitsplatz. Der Kapitalismus ist genauso falsch wie der Kommunismus.
Während in den siebziger und achtziger Jahren noch über achtzig Prozent der Menschen den Satz »Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch mir gut« bejahten, sind es heute keine zwanzig Prozent mehr. Unsere politische Stabilität beruht aber auf der Trias Demokratie, Marktwirtschaft, Sozialstaat. Wenn eine dieser Säulen wegbricht, sind auch die anderen gefährdet.
Die Folgen sind Perspektivlosigkeit und immer mehr Stückwerk. Es fehlt ein umfassendes politisches und makroökonomisches Konzept für eine humane Gestaltung der Globalisierung.“
In den letzten 20 bis 30 Jahren hat sich eben dieser unselige hedonistisch utilaristische Zeitgeist, maskiert als sog. neoliberale Wirtschaftsordnung, auch in unseren Gesundheits- und Sozialsystemen breit gemacht.
Unter dem Deckmantel von Kostenorientierung und angeblicher Kundenorientierung wurden die bestehenden Systeme entsprechend angepasst.
Was dabei herausgekommen ist:
2. Folgen der Ökonomisierung für die Denkweise der praktizierenden Sozialarbeitenden:
„Nicht nur die Praxis und das Handeln der Sozialarbeitenden ist von der Ökonomisierung geprägt. In den Köpfen unserer PraktikerInnen haben sich das Gedankengut und die Denkweise der Betriebswirtschaft bereits festgesetzt.
Die betriebswirtschaftliche Sprache und Logik beherrscht auch die Köpfe. Qualifizierte Soziale Arbeit wird von den Fachkräften selber als Luxus abgetan.
Die Ökonomisierung und ihre Folgen werden als selbstverständlich, als unvermeidbar, normal und natürlich erlebt und akzeptiert. Man findet nichts dabei, die fachliche Verantwortung in die Hände der Politik und Verwaltung ab zugeben.
Und auch eine Abwertung der eigenen KlientInnen hat bereits Einzug in das Denken und Fühlen so mancher PraktikerInnen gefunden.
Zusammengefasst lässt sich feststellen:
Die Veränderungen durch die Ökonomisierung wirken sich auf den Prozess der Erbringung sozialer Dienstleistungen, und auf die Definition der Aufgaben und der Zielgruppen Sozialer Arbeit, aus.
Und nicht zuletzt verändern sie die Binnenstruktur, also z.B. die Organisation, die Sprache, die Bedeutung bestimmter Bezugswissenschaften, die intentionale Ausrichtung und die Methoden der Sozialen Arbeit.
Soziale Arbeit als in diesem Sinne ökonomisierte Soziale Arbeit ist damit nicht mehr in der Lage, ihre Ziele, Wege und Zielgruppen selber zu bestimmen.
Die Veränderungen und Herausforderungen der neoliberalen Politik und der Ökonomisierung führen zu einer Abwendung der Sozialen Arbeit von ihren fachlichen und ethischen Grundsätzen.“
Vor dem Hintergrund meiner eigenen beruflichen Erfahrungen aus den letzten 35 Jahren, kann ich dem nur zustimmen.
3.Politik und Ethik
Noch einmal Heiner Geissler:
„Die globale ökonomische und soziale Entwicklung steht im diametralen Gegensatz zur Botschaft des Evangeliums. Die Ökonomisierung der Gesellschaft beruht auf dem kapitalistischen Wirtschaftssystem, in dem die menschlichen Werte auf den Kopf gestellt werden.
Das Kapital ist im Lichte des Evangeliums keineswegs per se schlecht, aber es hat den Menschen zu dienen und nicht die Menschen zu beherrschen.
Heute ist es umgekehrt:
Das Kapital beherrscht die Menschen, und die Menschen sind seinen Interessen ausgeliefert.
Es gibt in der Politik aber keine überflüssigen Menschen.
In den Demokratien haben sie alle eine Stimme, und sie werden sie nutzen.
In autoritären oder diktatorischen Systemen, wo die Menschen keine Stimme haben, werden sie oder ihre geistlichen Führer sich Waffen besorgen, und wenn es f liegende Kerosinbomben sind, die in den Symboltürmen des Kapitalismus einschlagen, oder Sprengsätze, die, von Handys gezündet, in Vorortzügen europäischer Hauptstädte explodieren. Das verfehlte Wirtschaftssystem produziert den Terrorismus.“
3.1 Sapere aude.
Lösungswege vor dem Hintergrund jüdisch christlichem Denkens.
Die Sache mit der Nächstenliebe.
Und nochmals Heiner Geissler:
„Die Botschaft der Nächstenliebe ist die Grundlage der Zivilisation.
Doch sie wird missverstanden und lächerlich gemacht.
In Leitartikeln in den Wirtschaftsteilen der großen Zeitungen wird gefragt, was Nächstenliebe und Solidarität in einer modernen globalen Welt zu suchen hätten.
Vor 2000 Jahren schon stellte ein Pharisäer dem, wie die FDP sagen würde, Gutmenschen Jesus die Frage:
Sag mal, Rabbi, wer ist denn der Nächste? Jesus gab bekanntlich keine direkte Antwort, sondern erzählte eine Geschichte aus dem Wadi el-Kelt, von der Aduminsteige, der Blutsteige, einem für Mord und Totschlag berüchtigten Flusstal, das sich herabzieht von Jerusalem nach Jericho:
Ein Jude wird dort überfallen, blutig geschlagen, ausgeraubt und bleibt am Weg liegen.
Der Priester, der vorbeikommt, geht weiter, genauso der Levit.
Aber dann kommt der Mann aus Samaria.
In den Augen der Juden ein Ungläubiger, ein Apostat, und dieser Abweichler, so würden wir heute sagen, versorgt den Verletzten, bringt ihn ins nächste Hotel und gibt dem Wirt sogar Geld, damit der sich weiter um ihn kümmert.
Nachdem er das erzählt hatte, stellte Jesus die Gegenfrage.
Wir denken ja, der Verletzte sei der Nächste, aber Jesus fragte den Pharisäer etwas ganz anderes, nämlich wer von den dreien der Nächste für den Überfallenen gewesen sei, der Priester, der Levit oder der Samariter.
Darauf blieb dem Pharisäer nichts übrig, als zu antworten:
Der Mann aus Samaria.
Was bedeutet diese Geschichte?
Ich, wir alle sind die Nächsten für diejenigen, die in Not sind. Ich muss nicht die ganze Welt lieben von Kamtschatka bis zum Südpol, möglichst viele, damit es auch möglichst unverbindlich wird.
Ich muss auch nicht den Silvio Berlusconi lieben oder George W. Bush.
Mir wird schlecht schon bei dem Gedanken, ich müsste ohne Ausnahme alle Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin lieben oder gar diejenigen der SPD.
Die Nächstenliebe oder modern gesprochen die Solidarität ist keine Gefühlsduselei, keine platonische Angelegenheit, nichts, das mit seelischem Wohlbefinden zu tun hat, eben kein Gutmenschentum.
Nächstenliebe ist eine Pflicht. Man muss demjenigen helfen, der in Not ist. Ohne Einschränkung, ohne Alternative.
Das kann unter Umständen auch der Feind sein.
Das ist in Wahrheit die Bedeutung der so verspotteten Feindesliebe.
Sie ist eine realisierbare Utopie, und sie scheitert nicht an einer rein quantitativen Unmöglichkeit, ihr zu entsprechen.
Denn wer nicht in Not ist, dem muss man nicht helfen. Dies ist der Raum für Eigeninitiative, Eigenverantwortung, für private Kompetenz bei den Risiken des Lebens.
Aber man täusche sich nicht.
Die Not in Deutschland ist zwar eine andere als in Bangladesch, aber auch hier steht sie vor der Haustür. Schon die Kosten einer mittelschweren Krankheit kann ein einzelner nicht mehr aufbringen, auch wenn er gut verdient. Deswegen bleibt die solidarische Grundsicherung, auch und gerade im Gesundheitswesen, die Grundlage jeder Zivilisation.
Man kann ein Volk von 82 Millionen nicht zur Absicherung der Grundrisiken auf den Kapitalmarkt verfrachten.
Die private Versicherung hat ihren Sinn in ergänzenden Leistungen. In der Rentenversicherung bietet sich ebenfalls nur eine solidarische Lösung an, gerade wegen des demographischen Wandels. Man kann es machen wie in der Schweiz, wo alle ab einem bestimmten Alter Versicherungsbeiträge bezahlen müssen, oder wie in Schweden, wo die Rente über die progressive Einkommenssteuer finanziert wird.
Das beste ethische Konzept haben in der Rentenversicherung die Schweizer. Alle zahlen von allem für alle: der Millionär von seinen Kapitaleinkünften, der Gemeinderat von seinen Sitzungsgeldern, der Arbeitnehmer vom Lohn.
Die Beitragssätze sind niedrig, die Renten hoch, das System ist finanzierbar, denn das Modell realisiert den plausiblen biblischen Grundsatz, dass die wirtschaftlich Stärkeren zur Solidarität mehr beitragen müssen als die wirtschaftlich Schwächeren.
Diese ethisch begründete Solidaritätspolitik ist ökonomisch unschlagbar und allen anderen Finanzierungssystemen überlegen.
Eine humane, ökologisch nachhaltige zukünftige Weltwirtschafts- und Friedensordnung kann von der Utopie zur Realität werden, wenn sie auf diesen ethischen Fundamenten aufgebaut wird: dem uneingeschränkten Schutz jedes, aber auch wirklich jedes Menschen, der dienenden Funktion des Kapitals, der Pflicht, denen zu helfen, die in Not sind, wobei die Stärkeren mehr beitragen müssen als die Schwächeren.
Dieses ethische Konzept hat den weiteren Vorteil, dass es konsensfähig ist über ethnische, religiöse, nationale Grenzen hinweg.“
4. Geschichten erzählen als zutiefst menschliche Eigenschaft – Narrative für eine Nachhaltige Entwicklung
Gleichnis vom Kamel und dem Nadelöhr
„Menschen lieben Geschichten – Wir hören sie an, erzählen sie selbst und erfahren dabei viel über uns, andere und die Welt, in der wir leben.
Methoden, in denen Geschichten im Mittelpunkt stehen, bieten auch für die politische Bildung und das Thema nachhaltige Entwicklung ein großes Potential.
Das Erzählen von Geschichten ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft.
Im Gegensatz zu analytisch-wissenschaftlichem Denken, das auf klar abgegrenzten Fakten beruht und zu eindeutigen Feststellungen führt, geht es beim narrativen Denken um den größeren Zusammenhang – um Kontext, Relevanz und Sinn. Beide Denkweisen bieten einen jeweils spezifischen Zugang zur Welt.
Es ist ein Wesensmerkmal unserer Kultur, dass wir dem analytisch-wissenschaftlichen Denken eine große Bedeutung zumessen.
Denn es hilft uns, die Dinge berechenbar zu machen, sie in den Griff zu bekommen. Das geht im Extrem so weit, dass nur wissenschaftlich-exaktes Wissen als wahr angesehen wird. Damit sind wir weit gekommen. Auf der anderen Seite erleben wir gerade die diffusen und vielschichtigen Angelegenheiten in unserem Leben (wie zum Beispiel die Liebe) als durchaus wahrhaftig – auch wenn sie hochgradig subjektive Erfahrungen darstellen und nicht exakt vermessbar sind. Angesichts der komplexen Struktur unserer Wirklichkeit lässt sich Exaktheit dementsprechend nur durch die Isolation des herausgegriffenen Sachverhalts erreichen. Mit dem fortschreitenden Herauslösen aus dem Kontext verringert sich aber auch der Relevanzgehalt, weil größere Beziehungs- und Bedeutungszusammenhänge verloren gehen. Um Sinn zu schaffen, brauchen wir den ’narrativen Modus‘.“
4.1 Die Gleichnissgeschichten Jesu
Der jüdische Rabbi Jesus Christus erzählte seinen Zuhörern und Nachfolgern eine Fülle von Gleichnissgeschichten die in ihrem Lebensbezug und ihrer Nähe zur Lebensrealität von jedem Menschen verstanden werden können.
Dabei geht es nicht darum diese Geschichten wortwörtlich zu glauben.
Dafür sind sie nicht tradiert. Vielmehr sind sie ein Anstoß zum lernen, zum selbstständigen denken.
Der Diskurs ist dabei am wichtigsten.
Die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem was diese Geschichten, meinem Ich und dem Du des Mitmenschen, zu sagen haben.
4.2 Martin Buber : Der Mensch wird am Du zum Ich
Martin Buber
Der bedeutende Religionsphilosoph Martin Buber hat wesentlich zum jüdisch christlichen Dialog beigetragen. Er eröffnete damit auch den reichen Schatz der Geschichten und Weisheitssprüche der Chasidim.
4.3 Ein nachahmenswertes Beispiel narrativen nachhaltigen öffentlichen Handelns – Menschen mit Lernschwierigkeiten sind den Weg des öffentlichen Gesprächs, des konstruktiven Diskurses, gegangen.
Die Möglichkeitsdenker suchen seit Jahren den Weg des öffentlichen Diskurses, vor allem bei wichtigen sozialpolitischen und ethischen Themenbereichen.
Eines der drängensten Themen unserer Zeit, den konstruktiven Dialog zwischen Judentum, Christentum, Islam und Humanismus, sind im Jahre 2015 bei insgesamt 5 öffentlichen Veranstaltungen diskutiert worden.
Das Narrativ, die Geschichte dazu, war die Bearbeitung und öffentliche szenische Aufführung der Ringparabel in leichter Sprache aus dem Theaterstück Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing.
Gotthold Ephraim Lessing
Die Möglichkeitsdenker entwickelten sich aus verschiedenen Projekten zum freiwilligen bürgerschaftlichen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer Region, begonnen im Jahre 2006.
Dort vollzog sich auch innerhalb des praktischen sozialpädagogischen Handlungsfeldes eine eindeutige Hinwendung zur Gemeinwesenarbeit.
Gleich zu Anfang entwickelte sich ein alle zukünftigen Bemühungen zusammenfassendes Narrativ.
Es war ein Gedicht von Rainer Maria Rilke einer der bekanntesten Lyriker der Romantik nämlich: „Werkleute sind wir…“
Es handelt sich dabei, das sei an dieser Stelle erwähnt auch um eines meiner Lieblingsgedichte.
Dass ein solches Gedicht, aus der bildungsbürgerlichen Hochkultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zum vielfältig zitierten Narrativ wurde und all unsere Bemühungen und Entwicklungsschritte begleitete freut mich ganz besonders.
Wiederlegt es doch glänzend die oft geäußerte und ausgrenzende Auffassung, das solche lyrisch anspruchsvolle Texte diesem Personenkreis per se nicht zugänglich seien.
Auch aus diesem Grunde sei es auch an dieser Stelle wieder einmal zitiert:
„Werkleute sind wir………..*
Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister, und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister, geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.
Wir steigen in die wiegenden Gerüste, in unsern Händen hängt der Hammer schwer, bis eine Stunde uns die Stirnen küsste, die strahlend und als ob sie Alles wüsste von dir kommt, wie der Wind vom Meer.
Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.
Gott, du bist groß. „
*Rainer Maria Rilke, 26.9.1899, Berlin-Schmargendorf
Ohne Humor und Ironie kann man gar nicht leben (Mauricio KAGEL, Komponist)
Von Dr. Wolfgang Näser, Marburg
Die meisten Menschen nehmen sich nur wenig Zeit für ein ebenso faszinierendes wie kostenfreies Studium: nämlich das ihrer Mitmenschen. Ein solchermaßen bewußt zugebrachter Tag in der Arbeitsstelle kann sich spannender gestalten als der berühmte Besuch im Zoo, gibt es doch unter den Zweibeinern ebenso skurrile und merkwürdige Typen wie in der sogenannten Tierwelt. Ganz allgemein ist es jedoch sehr nützlich, wenn wir kurz einhalten, uns einige Minuten der Besinnung gönnen und uns bewußt werden, mit wem wir es möglicherweise zu tun haben und welchen Standort wir selbst einnehmen in all dem menschlichen Mit-, Durch- und Gegeneinander.
Die folgenden Typ-Beschreibungen sind das Ergebnis eigenen Nachdenkens; meine Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die „männliche Form“ entspringt lediglich grammatischer Ökonomie; alle Typen sind jeweils in beiden Geschlechtern anzutreffen. Manchmal begegnen uns auch Menschen, die Charakteristika mehrerer „Typen“ in sich vereinigen.
Der Angeber
Seine Arbeit ist der Nabel der Welt; sein Denken und Handeln setzen Maßstäbe, ohne ihn geht es nicht (denkt er). Indem er sich erhöht, erniedrigt er die übrigen.
Der Biegsame
Nicht, wie man vermuten könnte, geistige Flexibilität zeichnet ihn aus, sondern ein Mangel an Rückgrat; eng verwandt mit dem -> Opportunisten und dem -> scheinbar Hilflosen, führt er ein schwer durchschaubaresamphibisches Dasein und wird erst dann gefährlich, wenn er sich mit dieser Existenzform ein hohes Amt gesichert hat. Dann nämlich erweckt er leicht den Anschein von Souveränität und Verläßlichkeit und verrät gerade die, die sich ob dieses schönen Scheins vertrauensvoll an ihn wenden. VORSICHT: eine ganz besonders heimtückische Kreatur!
Der Bollerkopf
Seine Hauptqualifikation wird in dB (Dezibel) gemessen (Bel kommt von A.G. BELL, könnte hier auch auf „Bellen“ bezogen sein). Er ruiniert fast jede Telefonkapsel und jedes intakte Trommelfell; cholerisch, wie er ist, brüllt er seine Ansichten heraus („Wer schreit, hat Unrecht“ gilt hier nicht immer!) und ist dann meist schnell wieder im Lot, weil er seinen Psycho-Müll vokal entsorgt hat. Aus diesem Grunde frißt er nie etwas in sich hinein, wird uralt und „erfreut“ noch in hohem Alter seine Mitmenschen, allerdings jetzt als Pensionär. Die im Grunde ehrlichen „Brüll-Affen“ sind meist nicht nachtragend.
Der Delegator
Selbst die schwierigsten Arbeiten übernimmt er, verspricht vollmundig deren optimale Erledigung – und gibt sie an Dritte weiter. Er bekommt nie schmutzige Hände: er, der Koordinator und Organisator. Es gibt viel zu tun: verteilen wir es.
Der Fiesnickel
Bisweilen auch Ekel oder (auf tieferer Sprachebene) Kotzbrocken genannt. Nach dem Motto „Wenn es mir schlecht geht, warum soll es dann anderen gut gehen?“ stets bestrebt, die eigene schlechte Laune auf die Mitmenschen zu übertragen (Giftgallen-Transfusion) oder Kollegen bzw. Untergebenen das mit gutem Willen zu bewältigende Arbeitsleben zur Hölle zu machen. F. sind manchmal gleichzeitig Workaholics, da sie zu Hause, also im Privatleben, nichts zu melden haben.
Der scheinbar Hilflose
Er kann keinen Nagel in die Wand schlagen und hat zwei linke Hände: jede von ihnen wäre glatt gut genug, einen Meineid zu schwören. Sein Leben gründet darauf, daß ihm andere zuarbeiten; so ist er groß geworden und hat die, die ihm halfen, verbraucht am Wegesrand zurückgelassen. Sein harmloses Lächeln wiegt die Mitmenschen in Sicherheit, aus der heraus sie ihm selbst ihre intimsten Nöte und Geheimnisse anvertrauen, um sich damit ihr eigenes Grab zu graben. Denn der scheinbar so naive Lächler hat es faustdick hinter den Ohren.
Der Idealist
Oft äußerst sensibel, nicht selten auch künstlerisch begabt und offen für die Mitmenschen und ihre Probleme. Der Idealist leidet an dem ihn umgebenden Unrecht. Er denkt und redet gradlinig, sitzt oft zwischen den Stühlen, leidet physisch und psychisch an seiner Umgebung, bringt es nur dann zu hohen Würden, wenn ihm irgendwann einmal Gleichgesinnte unter die Arme gegriffen haben. Ansonsten verharrt er meist im Mittelfeld und wird von Kollegen und Vorgesetzten gleichermaßen verkannt.
Der Initiative-Blocker
(-> Bollerkopf, -> Fiesnickel, -> Statistiker) wartet stets ab, bis ein Mitarbeiter sich durch Eigeninitiative fast profiliert hat, um dann ex officio („das gibt das Amt her“) diese Initiative abzuschmettern. Ziel ist die Konstanz derMediokrität, die auch im universitären Rahmen (leider) oft sehr guten Nährboden vorfindet. Hilfe findet der IB oft bei besonders stromlinienförmigen -> Opportunisten. Auf Solidarität können seine Opfer schon deshalb kaum rechnen, weil in der Regel viele Bequeme den Initiative-Entfaltern nicht das Schwarze unterm Nagel gönnen und es aus einer anderen Art von Bequemlichkeit (sagen wir besser: aus Feigheit) und/oder Gleichgültigkeit vorziehen, im Falle des Falles wegzusehen/-zuhören und/oder den Mund zu halten. Auf diese Weise und nur so können Diktatoren jeglicher Art und Couleur zu Macht und Ansehen gelangen. Heinrich MANN („Der Untertan“) läßt grüßen: das gilt auch im nächsten Fall.
Der Karrieremacher
Auch Erfolgsmensch oder Macher genannt. Accessoires: Handy, Samsonite-Koffer (mit Notebook), Nadelstreif und BMW. Jung, dynamisch, sportlich (Jogging), informiert, eloquent (eingebaute Datenbank für Profi-Phrasen) und gewinnend (Parties). Egozentrischer Utilitarist. Beurteilt die Menschen nach Man-Power. Verhalten ist für ihnStrategie. Einzig um schnellen Aufstieg bemüht und meist mit Hilfe zahlreicher Zuarbeiter bewältigt er die Stufenleiter in Rekordzeit. Jedes Stadium ein Lernschritt, jeder Eindruck eine auszuwertende Information. Gut nur das, was nützt. Gefühl ist out. Der einprogrammierte Kurs führt vorbei an den Menschen und deren Problemen. Nach Absolvieren aller Hausaufgaben residiert der KM in saalartigem Ambiente vor hochglanzpoliertem De-Luxe-Schreibtisch und lenkt mit einsamen Entscheidungen sein Imperium.
Weibliche Variante ist die sogenannte Karrierefrau. Ihre Devise: eine Frau muß immer besser (in diesem Falle rücksichtsloser) als ein Mann sein, um akzeptiert zu werden. Irgendwann, wenn überhaupt, stellt sie fest, daß weibliche Grazie und frauliche Würde auf der Strecke geblieben sind und daß das, was in dem Nadelstreifenkostüm steckt, ein nur etwas anderer Mann ist. Schade.
Der Kumpel
Offen und ehrlich, immer zu Gesprächen und Hilfe bereit, stellt er die eigenen Interessen zurück, wenn es um die Kollegen geht. Der Typ, mit dem man Pferde stehlen möchte. Hat immer einen Kaffee, wenn es einem dreckig geht. Ist die gute Seele (s. auch dort) im Betrieb, hat selten Aufstiegschancen, weil er sich keine Zeit nimmt, an sein Fortkommen zu denken. Oft in Personalvertretungen anzutreffen.
Der Motivator
Der Idealtyp eines Vorgesetzten (oder Team-Kollegen). Erkennt intuitiv die Begabungen und Neigungen seiner Mitmenschen und bestärkt sie darin, diese zum Wohle des Ganzen optimal einzusetzen. Obwohl selbst vielbeschäftigt, hat er doch ab und an Zeit für ein paar freundliche Worte: zur rechten Zeit und am rechten Ort.
Der Naive
Wie ein Traumtänzer geht er durch’s Leben, immer den passenden Schutzengel neben sich; er hat noch die in Kleists „Marionettentheater“ erwähnte Unschuld. Argwohn, Mißtrauen, Intrigen sind ihm fremd, und so entgehen ihm auch Schlechtigkeiten, die für jedermann außer ihm gut sichtbar direkt vor seiner Nase passieren. Die Naivität ist unbewußt ein hervorragender Schutz und garantiert ein bis ins hohe Alter unversehrtes, stabiles Nervensystem. Negativ: der Naive wird oft unbewußt zum Werkzeug von Intrigen.
Der Opportunist
Er braucht keinen Windkanal: sein CW-Wert übertrifft die kühnsten Ingenieurträume, denn er ist super-stromlinienförmig und aalglatt. Er tut immer das, was man von ihm verlangt, begehrt nie auf, paßt sich an, sein Fähnchen eilt der Winddrehung um eine Zehntelsekunde voraus. Wenn es opportun ist, verrät oder übergeht er die eigenen Kollegen.
Der Pedant
Er bedenkt und bearbeitet alles bis ins Mikroskopische, wird deshalb selten fertig, beklagt sich ständig überUnordnung, Gammelei und Nachlässigkeit im Kollegenkreis, ordnet in psychopathologischem Zwang auf Kollegentischen die Bleistifte zur Parade-Formation, vergißt über seinem Genauigkeitsfimmel, daß es noch Menschen um ihn herum gibt und daß diese Sorgen haben, um die er sich vielleicht auch etwas genauer kümmern könnte.
Die Quasselstrippe
Eine unaufhörlich und meist über andere redende Person. Ihr Arbeitsgerät ist der Telefonhörer, den sie (nach pharaonischem Brauch) als Beigabe mit ins Grab bekommt. Die QS interessiert sich für alles und jeden, ist eine wandelnde Enzyklopädie ihrer Umwelt, kennt die Kollegen und ihre Familien, ist als Info-Börse Anlaufstelle fürSorgen, Nöte und Vertraulichkeiten aus dem Kollegenkreis. Auch in populären TV-Serien (Familie Hesselbach, Büro-Büro) und -sketchen immer wieder gern karikiert, stirbt diese meist liebenswerte Spezies allmählich aus, findet sie doch weder Platz noch Nahrung in den unpersönlich-kalten Glitzerwelten und competence centersunserer Technokratie.
Der Querulant
Mit dem Bollerkopf wesensverwandt, hat er eine Meisterschaft entwickelt darin, es mit jedem nur möglichen Mitmenschen zu verderben. „Viel Feind, viel Ehr“ ist seine Maxime.
Der Resignator
In einem langen Arbeitsleben wurde er so oft übergangen, verkannt und gedemütigt, daß er es aufgegeben hat, irgendwelche Initiativen zu entfalten oder mit den Vorgesetzten über seine Lage zu sprechen. Er, der für seine Arbeitsstelle möglicherweise so Wertvolle, Ergiebige, werkelt still und apathisch vor sich hin, offenbart sich gelegentlich seiner Mitwelt, die dann meist Sympathie heuchelt und froh ist, daß es nur ihn getroffen hat.
Der Schweigsame
Ihn merkt man kaum. Der Schweigsame kommt, arbeitet, geht, erscheint nie zum Tee, im Grunde weiß niemand so recht, was er tut. Das ist schade, könnte er doch aus seinem Tun, Handeln, Beobachten und Fühlen heraus vieles Gute und Interessante an seine Mitmenschen weitergeben. Stille Wasser gründen tief!
Die gute Seele
Diese Spezies ist meist weiblich; unzählige Sekretärinnen und Sachbearbeiterinnen überstrahlen die Arbeitswelt mit der milden Sonne eines ausgesprochen lieben Wesens. Gäbe es sie nicht, so hätte möglicherweise so manche im Dienst gequälte Mensch allen Grund, sich vor oder hinter einen Zug zu werfen. Das Lächeln einer guten, lieben Seele versetzt mehr Berge als eine ganze Bibliothek voller abstruser, als Resultat geistiger Blähungen freigesetzter Theorien.
Der Sensible
Oft mit hochgradig künstlerischen Neigungen und Begabungen gesegnet, hungert der sensible Mensch in seinem Arbeitsfeld nach einfühlsamer Behandlung und dem Kontakt mit Gleichgesinnten, doch dieses Verlangen bleibt fast immer unerfüllt. Der sensible Mensch erduldet still alle Demütigungen (für die er eine ideale Übungs-Zielscheibe darstellt), sein Nervensystem ist bald zerrüttet, gravierende Gesundheitsschäden und ein frühes Siechtum sind die Folge.
Der Statistiker
Ihn gibt es sowohl als Vorgesetzten wie als Mitarbeiter. Ersterer will zu allem und jedem eine Aufstellung (noch gestern) und kontrolliert alles: vom Fenster-Schließen bis hin zum Klorollenverbrauch; letzterer zählt und dokumentiert alles, bis hin zur Anzahl seiner Beiwohnungen; hat er Glück, avanciert er in eine Führungsposition.
Der Tüftler
Nichts ist unmöglich, seine Devise. Kein Problem, das nicht gelöst werden kann. Der Wissenschaftler muß wissen, was zu wissen ist, und alles machen, was zu machen ist, sagte sinngemäß Edward TELLER, der Konstrukteur der Wasserstoffbombe. In seiner genialischen Verbissenheit steht der akademische Tüftler fernab von jeder gesellschaftlichen Verantwortung, ist williges Werkzeug skrupelloser Politiker. Das Problem fasziniert, die Lösung befriedigt, die Bombe fällt, und schon ist Hiroshima ausradiert.
Den Tüftler gibt es auch in einer geisteswissenschaftlichen Version. Er sitzt in seinem Elfenbeinturm und zählt sprachliche oder literarische Fliegenbeine, während „draußen“ brutale Kriege geführt und politische Lösungen, zu denen er sein geistiges Potential beisteuern könnte, nicht gefunden werden.
Der Wichtigtuer
Wesensverwandt mit dem -> Angeber. Für ihn gilt das Axiom, daß manche Menschen nur in aufgeblasenemZustand sichtbar werden. Er macht aus allem einen coitus principalis *). Es gelingt ihm, alles hochzustilisieren: zuallererst die eigene Arbeit, aber auch jeden kleinsten Zwischenfall, der durch sein Zutun kriegerische Dimensionen annimmt.
Der Workaholic
Dieser Suchtkranke lebt, um zu arbeiten. Die Arbeitsstelle ist oft Fluchtpunkt einer Existenz, die daheim unter dem Pantoffel steht nach dem Motto „Papa hat bei uns nichts zu sagen“. Der W. schuftet wie ein Berserker, auf seinem Schreibtisch türmen sich „gewachsene Haufen“ unerledigter Vorgänge, das Wühlen, Sortieren, Abzeichnenund Stempeln sind sein Lebens-Elixier. Über seiner Arbeit vergißt er, daß es Kollegen gibt.
Der Zeitlose
Scheinbar träumerisch durchs Leben (und die Arbeit) gehend, koppelt er sich ab von allen technischen Innovationen, die – zu hause wie im Beruf – die Arbeit erleichtern, neue Horizonte eröffnen und Erkenntnisse bringen könnten. Der Z. hält wenig von den sogenannten Neuen Medien, erzählt stolz, daß er daheim entweder keinen Fernseher hat oder ihn so gut wie nie benutzt; im Büro lehnt er Computer strikt ab (und nimmt daher verfügbare Etat-Mittel nicht in Anspruch), hält natürlich auch nichts vom Internet (einer Brutstätte von Kinder-Pornographie und sonstigen Verbrechen, hat er irgendwo gehört), von E-Mail und all diesem Zeugs. Aufgrund seiner gehobenen Position hat er das zweifelhafte Glück, sich solche Standpunkte leisten zu können. In den oftesoterisch angehauchten, realitätsfernen Zirkeln, in denen er privat verkehrt, hat er sich mit seinerTechnikfeindlichkeit ein gewisses Maß von Achtung und Anerkennung erworben.
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*) Fürstenbeischlaf
(c) Wolfgang Näser 8/96 ff.