Das Rasselchen

Es ist Dezember, kurz vor Weihnachten. Die Verwandtschaft trifft sich zur Geburtstagsfeier.
Die Vorbereitungen zu solch einem Ereignis sind umfänglich. Ein willkommenes Ereignis in einer dörflichen Umgebung. Ein nachmittägliches üppiges Kuchenbuffet ist obligatorisch.
Buttercremetorten, Sahnetorten in beachtlicher Höhe werden hergestellt.
Der Stolz für jede Hausfrau.
Er erinnert sich an ein hämmerndes, sägendes Geräusch zu früher Morgenstunden, welches ihn weckte.
Hervorgerufen durch den Handmixer der wohl starken Kontakt zur Rührschüssel hatte. Dazu der Geruch von Sahne, Vanille, und heiß gelaufenem Elektromotor.
Noch verschlafen und im Pyjama stieg er die Treppen hinunter, öffnete die Küchentür. „Zieh dich erst Mal an.“ sagte Großmutter. Mutter und Tante nickten beifällig ohne die Arbeit zu unterbrechen.
Großvater saß im Sessel und rasierte sich ebenfalls elektrisch. Das ergab ein unnachahmlichen Geräuschkonzert, das Ihn noch Jahrzehnte an die Weihnachtszeit erinnerte.


Abends dann ein deftiges Geburtstagsessen. Der Höhepunkt einer jeden Familienfeier. Kartoffelsalat, Nudelsalat immer. Bratwürste und heiße Fleischwurst ebenfalls. Das Highlight aber immer Pumpernickel dick mit Margarine bestrichen und mit Scheiblettenkäse belegt, mindestens in drei Schichten. Das ganze in längliche kleine Quadrate geschnitten und nach dem Essen zum Bier oder zum Wein gereicht.

Der Wein eine wirklich süße Plörre, Marke Himmlisch Moseltröpfchen oder Kröver Nacktarsch.
Zum Schluss noch, vor allem zur Weihnachtszeit, selbstgemachte Plätzchen aller Art die himmlische nach Butter, Vanille und Nüssen schmeckten.


Dergestalt gesättigt folgte auch er den Gesprächen der Gäste.
Für die Frauen ganz typisch, eigene Krankheiten die der Nachbarn und Bekannten. Die schulischen Leistungen der Kinder, in Frühling dann der Zustand des eigenen Gemüsegartens.
Und schließlich, in aller Ausführlichkeit, Dorfklatsch jeglicher Art.


Bei Männern hingegen war deren Mitteilungsbedürfnis eher übersichtlich. Bei den Alten wars der Krieg und Ihre Arbeit im benachbarten Siegerland als Maurer. Noch viele Jahre später glaubte er tatsächlich, das alle arbeitsfähigen Männer Maurer waren und im Siegerland arbeiteten.

Oft später dann, das Essen war schon im Gange kam, nun nennen wir Ihn Ottmar R.i.p
Er betrat das Wohnzimmer, ihm war anzumerken, dass im solche öffentlichen Auftritte deutlich überforderten und sagte:
Nichts.
Was niemanden wunderte. „Ottmar willst du noch Kuchen?“ „Das fehlt noch!“ sagte er.


Er schaute sich um und setzte sich dahin wo noch Platz war. Frauen reichten Ihm Teller und Besteck und rückten Ihm die deftigen Speisen zurecht. „Lass es Dir schmecken!“ Ottmar delektierte sich bereits, nickte nur und öffnete die bereitstehenden Bierflasche.
All das geschah ganz beifällig, niemand nahm Notiz davon.
Einige Flaschen Bier später wurde Ottmar redseliger.


Sein Blick hellte sich dann deutlich auf und bekam dann bald etwas wehmütiges und verschämtes.


Er habe mal bald nach dem Kriege ein Flüchtlingsmädchen gekannt. Sie sei schlank gewesen. Dunkle Haare, ein Lockenkopf. Immer unternehmungslustig zu Späßen und Streichen aufgelegt. Eine gute Tänzerin.

Man nannte sie „Rasselchen.“
Alle jungen Männer seien hinter ihr her gewesen. Sie wäre dann aber von einem Katholiken weggeschnappt worden. „Von einem Sudetengauner!“ wie er sagte. Das dieses junge Mädchen wohl die Liebe seines Lebens gewesen ist erwähnte er mit keinem Wort.

Ottmar ist ledig geblieben. Wohnt mit seiner Schwester zusammen, die ihn versorgt.

Zeltmission

Schwester Käthe (RiP) war wieder einmal zu Besuch. Ein groß gewachsene Frau Mitte 30, ledig, mit wachen braunen Augen. Eher quadratisches Gesichtszüge, volle Wangen. Ein gütiges Antlitz, gleichzeitig aber auch Durchsetzungskraft und Stärke ausstrahlend. Charakterliche Eigenschaften, die vielen donauschwäbischen Frauen zueigen ist. Es waren diese Donauschwäbinnen, seit Jahrhunderten aus Not und Verfolgung flüchtend mit Ihren Familien im Balkan eine neue Heimat fanden Dort ist wohl diese glutvolle emotional offene slawische Seelenverwandtschaft entstanden, der die Familienbande über alles ging und Kinder immer die wichtigste Rolle einnahmen. Und fleißig waren sie, sehr fleißig, aber auch immer bereit zu feiern, gut zu essen und zu trinken.

Er liebte Schwester Käthe. Sie war in jungen Jahren einen Diakonissenorden beigetreten. hätte sich dort wohl auf Dauer nicht wohlgefühlt und war ausgetreten. Ein Schritt der Mut erforderte. Nun war Sie freie Rot Kreuz Schwester in einem Krankenhaus in Dillenschloß. Sie trug nun eine Schwesterntracht in himmelblau, das kleine Häubchen keck am Hinterkopf, eine blütenweiße Schürzen, der kleine Kragen dekoraktiv. Am geschlossenen Dekolleté die unvermeidliche Rot Kreuz Spange. Sah nett aus, ganz im Gegensatz zur Ordenstracht der Diakonissen, die immer schwarz trugen, die gestärkte Haube, bedeckte beinahe das ganze Haupt. Eine steife Schleife dicht am Halse engte die Bewegungsfreiheit des Kopfes zusätzlich ein. So könnten Sie eigentlich nur geradeaus blicken, die Sicht nach rechts und links, nach unten war so beinahe unmöglich.Nach oben, himmelwärts war immer möglich. Ob da eine subtile Absicht vorlag?

Eine wichtiges Ereignis stand bevor, von vielen freudig erwartet , jedoch auch mit einer gewissen Bangigkeit.

Die Zeltmission hatte sich angesagt. Ist alles sauber und adrett hergerichtet, ein großer Hausputz musste sein. Alle Böden geschrubbt und gebohnert Fensterscheiben geputzt, dabei die Kellerfenster nicht ausgespart. Die Männer fegten Höfe und Straßen, Misthaufen wurden ordentlich in ein rechteckige Form getrimmt. Kuhfladen wurden sorgfältig mit der Flachschaufel abgehoben. All dies in Erwartung der Gäste die nach der letzten Predigt, immer sonntags, bei den ortsansässigen Familien zu Gast waren. Dann wurde gebacken. Hefekuchen köstlich. Schon am Tage vorher lag der köstliche Duft dieser Backware in der Luft. Torten turmhoch, in der Regel Buttercremetorte, was nicht fehlen durfte, Frankfurter Kranz. Fettig, mächtig, süß. Sodbrennen war vorprogrammiert, vor allem bei den älteren Herrschaften.

Die Zeltmission ist ein evangelikales Missionswerk, per Zelt in Deutschland aber auch in der Schweiz unterwegs um für Sünder auf den rechten Weg zu bringen und treue Christen im Glauben zu bestärken. Arme Sünder, die sich im Verlauf, Zeltmissionswoche zum Glauben bekannten, wurden gegen Ende der Veranstaltungen aufgefordert, „nach vorne zu kommen“ um öffentlich vor der Schar der bereits gläubigen Schar der Schwestern und Brüder ihren neuen Glauben zu bekennen, und sich als wiedergeborene Christen erkennen zu geben. Für die die nach vorne gehen wollten, konnte das enormen Druck erzeugen sich mutig als Wiedergeborene zu outen. Ihm war diese Prozedur von Kindheit an sehr suspekt, ja in gewisser Hinsicht angstbesetzt. In den sechziger Jahren begann zunehmend der amerikanische Fernsehprediger Billy Graham, das selbsternannte Maschinengewehre Gottes an Einfluß zu gewinnen.

Billy Graham

Er einte Täufer, Charismatiker und pietistiche Christen unter Zuhilfenahme einer eingänigen theologischen Kost, die möglichst allen mundete. Die braven Pietisten, fremdelten erst mit so einer flachen theologischen Soße, überwanden sich letztlich doch hofften vielleicht heimlich auf eine neue Erweckungsbewegung ähnlich derer im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. In der fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts startete das „Janz Team“ missionarische sogenannte „Feldzüge für Christus“. Tausende sammelten sich in Hallen und Zelten um zu lauschen, Ihren Glauben zu finden oder zu erneuern. So auch der „Dillkreis Feldzug“ dem sich dann auch das „Vorderland“ anschloss.

So kam es, daß auf der kleinen Bleiche der Stadt Biedenhals ein riesiges Zelt aufgebaut wurde. Überall im Vorderland hingen riesige Plakate mit der Überschrift: „Kehrt um glaubt an das Evangelium“ Das Zelt fasste an die dreitausend Personen. Diese Plätze waren allabendlich fast besetzt. Es roch nach frischgemähtem Gras, vorne eine gut beleuchtete Bühne in der Mitte trohnte das Rednerpult, umrahmt von Geranien die stechend nach Unkrautverteilungsmittel rochen. Posaunenchöre, Männerchöre waren geladen. Posaunenchöre tröteten, Männerchöre knödelten im vierviertel Takt im Wechseldirigat. Janzteamsänger intonierten Lobpreislieder mit amerikanischen Akzent. So gut wie immer in C-dur Tonleitern rauf und runter, eingänge Intervalle mit Gitarrengeschrammel begleitet. Dann Hildor Janz, als Evangelist, mit dem typischen Aussehen eines weißen Amerikaners, der in der Öffentlichkeit steht, der was zu sagen hat. Kantiger Kopf, rechteckige Gesichtsform, die Haare ordentlich gescheitelt, mit Haarcreme, speckig glatt, mit einer angedeuteten Haartolle. Schwarze Hornbrille, breites Lächeln, die makellosen Zähne bleckend. Seine Predigt, Verkündigung, rethorisch ausgefeilt, eingängig, polarisierend, auf ein Ziel ausgerichtet: Kehre um, glaube an das Evangelium, ansonsten bist Du verloren, für immer in den Händen des Satans gebunden. Eine einfache Botschaft, monokausal, entweder bist Du wiedergeboren, dann bist Du im Heil, oder Du bist es eben nicht, dann droht Dir die ewige Verdammnis und das höllische Feuer. Zum Ende des Missionsfeldzuges würde diejenigen, welche „nach vorne gegangen waren“ in ein kleines Zelt gebeten, um mit jenen verlorenen Seelen für die Aufnahme in den Kreis der gerechten zu flehen. Einige kritische Geister, behaupten dort begönne dann ein“ Kampfbeten“ um für jeden einzelnen dieser verlorenen Seelen. „Nicht nur Calvin bekundete, menschliches Handeln könne nicht ohne Gottes Gnade erfolgreich sein. Dass Calvin gleichzeitig die Notwendigkeit eigener Vorsorge für das irdische Wohl betonte, ließ im 16. und 17. Jahrhundert in calvinistischen Kreisen das Lebensgefühl entstehen, Erfolg sei Ausdruck von Gottes Segen. Vorstellungen, aus wirtschaftlichem Erfolg auf Erden darauf schließen zu können, wem Gnade nach seinem Tode beschieden sein solle….“. …“Max Weber schrieb dem Calvinismus in seinem Aufsatz Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus von 1904/05 eine herausragende Rolle bei der Entwicklung des Kapitalismus zu… .“ Quelle u. A. Wikipedia

In jenen kleinen Dörflein, dort wo der Verfasser Kindheit und Jugend verbrachte, ging dieses Ereignis deutlich entspannter vonstatten. Zunächst reiste der verantwortliche Evangelist zusammen mit dem Zeltmeister mit einem kleinen Wohnwagen an. Als Veranstaltungsort war bereits vorher eine Wiese, leicht abschüssig, am Randes des Dorfes ausgewählt. Dort war Strom und Wasser vorhanden. Ein Tag später fuhr ein Lastwagen ins Örtchen, suchte den Veranstungsort, war problemlos, waren doch die erfahren Brüder bereits wartend zur Stelle. Das einparken war auch ohne Probleme, auch dank der Brüder, die lautstark und wrfahren einwiesen. Zurück, links, halt, rechts, nochmal rechts, HALT, STOP gellte es. Vielen hatten deswegen zwei Stunden frei gemacht oder wurden dafür frei gestellt. Als der Laster nun dergestalt richtig eingeparkt war um das Zelt fachgerecht abzuladen war machte sich Zufriedenheit bereit. Die Gesichter der Brüder, und das des Zeltmeisters entspannten sich. „Dä Räsd mache meer meer de Owed“ (Den Rest der Arbeit erledigen wir dann am späten Nachmittag). Auch der Zeltmeister, mit deutlichem Siegerländer Dialekt, nickte zufrieden und zog sich in den kleinen Wohnwagen zurück in dem der Evangelist schon auf Ihn wartete. Am späten Nachmittag dann gingen die Männer ans Werk. Der Zeltmeister hatte die Aufsicht, regelte und dirigierte bestimmt und streng, aber wohlwollend.

Die „Jungenschaftler“ durften unter Aufsicht mitarbeiten. Die altersmäßige Zuordnung der Jungen, aber auch der Mädchen war streng geregelt. Alles begann mit der Sonntagsschule. Dann Jungenjungschar, Mädchenjungschar, Konfirmandenunterricht, „Jungenschaft“, „Mädchenschaft“, immer geschlechtergetrennt. Die männliche evangelikale Elite wurde dann zu Mitgliedern der „Männerstunde “ berufen. Dieser erlauchte Kreis, traf sich Samstag Abend in „Verzweihaus“, kleiner Saal. Strikt nach einer wortgetreuen Interpretation biblischer Text, mag deren Exegese auch noch so absurd erscheinen, wurde geredet, sich gegenseitig im Glauben gestärkt, um jederzeit in der Lage zu sein „Zeugnis“ abzulegen.

Pfarrer, vor allem studierte Theologen hatten es schwer. Sie standen, gemeinsam mit Frau und Kind unter Dauerbewachung. Waren die Rollläden im Pfarrhaus morgens um halb acht noch geschlossen. „Aha der Pfarrer hat wieder Mal verschlafen.“ War im Pfarrbüro Samstag abends um zehn Uhr noch Licht. „Aha, der Pfarrer ist mit der Predigt wieder nicht fertig geworden.“ Bei der sonntäglichen Predigt dann, würde, was ja nichts schlechtes bedeutet sorgfältig, nachgerade genau zugehört. Besonders fromme Brüder, zum Gottesdienst mit einer Bibel und einem Oktavheft bewaffnet, notierten eifrig mit. In der Regel verdeckt durch die vordere Kirchenbank, geduckt sitzend, die aufgeschlagene Bibel auf der Kirchenbank, das Oktavheft auf den Knien den Kugelschreiber in der Hand. Gelegentlich wurde schon während der Predigt missfallend mit dem Kopf geschüttelt. Nach Ende des Gottesdienstes bewegten sich zuweilen frommen Männer in Richtung Altarraum und mit bedeutungsschwerer Miene bewaffnet mit der Elberfelder Bibel und Oktavheftchen die Sakristei, die wegen Ihrer Ähnlichkeit, „Sauställche“ (Schweinestall) benannt wurde . Der Pfarrer sich gerade seines Talars entledigend blicke auf. Seine Miene verrieten Verunsicherung und Ängstlichkeit. Der fromme Bruder öffnete die Tür des „Sauställchen“, schloß sie sogleich und blickte den Pastor an. Öffnete sein Elberfelder Bibel, die mit einem Reißverschluss, zum Zwecke der witterungsbedingten der Unbilden und begann zu reden.

Der fromme Bruder

Zu hören was nichts, aber der Gestus des frommen Mannes verriet einges. Erst ein freundliches Lächeln, dann mit bestimmter Miene, weiter mit erhobenen Zeigefinger belehrend ja nachgerade drohend. Bei Pastor hingegen, kaum ein Mienenspiel, ein Nicken zu Beginn, zunächst ein Staunen, ein kritisches Stirnrunzeln, ein Einwänden, zum Ende dann ein kurzes Nicken, den Kopf gesenkt, niedergeschlagen. Er verließ, nachdem der frommen Bruder in Christi gegangen war die Sakristei, den Talar unter dem Arm.

Der Zeltaufbau war für die Jungenschaftler ein Ereignis. Durften sie doch tatkräftig mithelfen, Handreichungen machen, Planen schleppen, Heringe sortieren und verteilen, Bänke aufstellen helfen. Ein großer Spaß, wurden Sie doch ernst genommen und entsprechend gelobt. Das beste in diesem buten Reigen von Aufgaben und Pflichten war die Einrichtung einer „Zeltwache“ ab der ersten Nacht nach dem Zeltaufbau. Der Zeltmeister, ein ehrfurchgebietender Mann, aus dem Verliererland, mit gütigen Augen immer für ein Späßchen bereit, teilte die Zeltwache ein, trug er doch die gesamte Verantwortung für alles rund um das Zelt. Das Zelt kreisrund circa zwanzig Meter im Durchmesser.

Fast so wie ein kleines Zirkuszelt, zumal sein pyramidenförmiges Dach aus vielen trapezförmigen Bahnen, weiß und rot zusammengenäht. Lediglich der Duft von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte, der Geruch von Dressurpferden, Ponys und Eseln fehlte. Die „Jungenschaftler, Mädchenschaftler, Jungenjungscharler, Mädchenjungscharler“ waren begeistert. Nachmittags für die Sonntagsschulkinder die Kinderstunde. Eine Frau, eine Diakonisse namens Schwester Siglinde, war dafür aus dem Verliererland angereist. Ihr hellblaues Schwesternkleid wadenlang, ähnlich das der Schwester Käthe, um die schmale Taille gehalten von einer kurzen weißen Schwesternschürze. Das weiße kleine Schwesterhäubchen keck am Dutt befestigt. Die brünette lockige Haarpracht nur schwer mittels des Häubchens gezähmt. Eine frohe, lustige, ausgeglichene Frau mit lieben braunen Augen. Rein äußerlich schon ein vollständiges Gegenbeispiel, zu der sonst vorgeschriebenen Schwesterntracht, in schwarz, mit einer Pellerine für kalte Tage versehen. Die Kinder liebten sie, ihre Geschichten, ihre Gitarre, die christlichen Lieder. Die Jungenschaftler auch, mit heimlichen verschämten Blicken, mit deren pubertierenden Fantasien sorgte Sie gewiss für manche nächtliche feuchten Träume. Aber auch einige frommen Brüder blickten heimlich, steht’s aber auch mit Furcht vor dem Weibe, das einst von der Schlage verführt, Adam um sein Seelenheil brachte.

Die „Verkündigung“ in diesem lustigen kleinen Zirkuszelt war verglichen zum mit dem „Feldzug für Gott und wider den Teufel“ des Janzteams, liberal. Der Missionar, ein Ostfriese mit typischem Seemannsbart, mit Namen Fokke Bushboom RiP, predigte schlicht, jedoch einladend, nicht fordernd, bodenständig, zuweilen humorvoll. Das sogenannte „nach vorne gehen“ im Anschluss an die Verkündigung, sozusagen als Erfolgskontrolle, entfiel vollständig. Im ganzen war es eine lustige Mischung aus verschiedenen Veranstaltungen für Groß und klein, in einem kleinen bunten Zirkuszelt .

Gegen 19:00 brachte Schwester Käthe und Ihn zu Bett. Sie tat das mit dem Ihr eigenen Charme. Freundlich, resolut, sehr eindeutig aber nie grob oder gar grenzüberschreitend. Sie strich uns über die Haare, legte die Fingerspitzen ihrer rechten Hand auf sein Handgelenk, tastete den Puls. Ihre Fingerspitzen waren ein wenig kühler als sein Handgelenk. Ihre Finger sehr gepflegt die ganze Hand angenehm trocken. Die schaute dabei auf die Uhr an Ihrem Handgelenk, eine besondere Uhr. Eine größeres deutlich zu lesendes Zifferblatt. Der Sekundenzeiger war rot. Die Uhr hatte ein silbernes Gelenkband. Auch das Gehäuse der Uhr war von dieser Farbe. Eine Edelstahlarmbanduhr, zweckdienlich hergestellt für medizinisches Personal. Sie verströmte einen zarten nicht unangenehmen Duft von Rivanol, einem damals gebräuchlichen Wundesinfektionsmittels, von kräftig gelber Farbe. Dazu kam, ein weniger angenehmer leicht fauliger Geruch auf Ihrem Atem. Nicht störend, dennoch deutlich in Hintergrund zu ahnen. Schwester Käthe war sehr stolz auf Ihre Uhr. Mit ernster, milder Miene fühlte sie den Puls. Dann folgte ein mildes Lächeln, Ihre rechte Hand strich erneut über seine Haare. Das gleiche bei seiner Schwester „Guud Nachd, schloufd guud ihr Kinn.“ (Donauschwäbisch) Gute Nacht ihr beiden. Schlaft schön träumt was Schönes.

Mutter, Vater, Oma, Opa und auch Schwester Käthe waren bereit und gingen „ins Zelt“. Nichts war in diesen Tagen wichtiger. Er und seine Schwester waren nun alleine in den alten Bauernhaus. Kinder oder Enkelkinder alleine Zuhause zu lassen, kam für Oma Chrnicht in Frage. Bei den Donauschwaben standen die Kinder immer im Vordergrund. Eine andere Lebensart, andere Sitten und Gebräuche, eine andere Küche, die aus Mehl, Wasser, Speck, Knoblauch, Paprika, ein wenig Zucker die köstlichen Gerichte zauberten. Elferraus und Apfelstrudel

Man erwog die beiden Geschwister bei Opa Christine und Opa Peter übernachten zu lassen. Darauf würde aber nichts. Oma Christine litt wieder mal unter einer Gallenkolik. Passierte öfter, Sie machte kein Gewese darum, legte sich für einen Tag ins Bett, nahm „Spalt Tabletten“ gegen Ihre Schmerzen und war am anderen Tag wieder munter und gesund. Er und seine Schwester, bedauerten das, war doch eine Übernachtung bei ihren donauschwäbischen Großeltern steht’s beliebt, standen sie doch in diesem Falle immer im Mittelpunkt des Geschehens, wurden umsorgt und „verwöhnt.“ Es war ein früher Sommerabend, die Sonne gerade erst untergegangen. Der Himmel war bedeckt, die untergehende Sonne malte ein blasses Abendrot am westlichen Horizont. Es war angenehm kühl, die richtige Temperatur im Schlafzimmer der beiden Geschwister. Die Geschwister unterhielten sich noch ein Weilchen, die Stimme seiner Schwester würde zunehmend schwächer. Alsbald war sie eingeschlafen. Mit ruhigem Atem lag Sie da, auf ihrem Antlitz ein kleines zufriedenes Lächeln. Er hatte eine hübsche kleine Schwester. Ein reizendes Kind. Schwarze, dichte, glatte Haare, ein entzückender Bubikopf umrahmte ihr schönes ebenmäßiges Antlitz. Er schlief nicht. Er beneidete den guten Schlaf seiner Schwester, ihre robuste Konsistenz, ihre Ruhe und Beharrlichkeit. Zappelphilipp nannte man ihn. Ruhelosigkeit, Umtriebigkeit, eine überbordende Phantasie prägten sein Wesen. Auch ängstlich und in der Hackordnung der Buben in jenem kleinen Dörfchen ziemlich weit unten. Zu jener Zeit existierte eine Art Mafia, angeführt von zwei drei Kindern aus der ortsansässigen Darbistengemeinde

John Nelson Darby

deren Eltern nach der fundamentalistischen Maxime „Wer sein Kind liebt der züchtigt es“ Sprüche Kapitel 12 Vers 13 So wurden in die Kinder dieser Gemeinde, für vergleichweise geringe „Vergehen“ zuweilen auch unter Zuhilfenahme von Rute und Gürtel, windelweich geschlagen. Die geschah in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit, also im Keller. Wäre die Bibel demnach ein Buch für Prügelpädagogen? Was hat es mit dem berüchtigten Satz auf sich: »Wer sein Kind liebt, der züchtigt es«? Die Lutherübersetzung von 1912 so: Wer seine Rute schont, der haßt seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald.“ Möge hier doch besser eine historisch kritische Interpretation dieser Textstelle zu Sprache kommen? Da wäre zu wünschen. Kurzum: Wer Prügel bezieht gibt sie gerne an Schwächere weiter. Zu jener Zeit jedenfalls regierte das Faustrecht in den Gassen Höfen, Scheunen und Wäldern im Klippdachsland. Er selbst hatte da keine Chance sich „empor“ zu prügeln. Nicht wenige erlitten traumatisierende Erfahrungen, die wohl ein Leben lang zu belasten vermochten. Er war wohl, neben allen guten Erfahrungen dieser Kindheit, verbunden mit einer pietistischen Lebfeindlichkeit in der Erziehung, die zu schweren neurotischen und leider auch zu psychiatrischen Erkrankungen führten konnten. Auch derVerfasser will sich da nicht ausnehmen. Zurück ins Schlafzimmer der Geschwister: War es möglich, das unter seinem Bett ein böser Geist verborgen hatte? Da war doch ein leises Knistern, ein Schmatzen zu hören. Sein Blick unters Bett verriet, das war nichts zu finden. Was er wirklich hörte war alltäglich und damit beruhigend. Das satte muhen der Milchkühe, das zufriedene Grunzen der Mastschweine aus den Ställen. Das leise gurren der Hühner, die sich bereits zu Nachtruhe zurück gezogen und auf ihren Sitzstangen dösten. Das alles sollte ihn beruhigen, tat es aber nicht. Er fühlte sich alleine, im Stich gelassen. Er sah aus dem Fenster. Es wahr noch hell, die Dämmerung zog auf. Er fasste einen Entschluss. Du musst jetzt aufstehen, das Fenster öffen und nachschauen ob er wirklich von allen verlassen war. Gesagt getan. Das Fenster stand offen er blickte hinaus. Da war alles wie immer. Nur eins war anders. Kein Mensch zu sehen. Kein Licht kein bläuliches flimmern der Fernsehapparate in den Stuben. Dem wollte er jetzt auf den Grund gehen. Einerseits aus Furcht andererseits aber auch aus Neugier. Der Weg nach draußen war leicht. Das Schlafzimmerfenster lag paterre, nahezu ebenerdig zur Gasse. Vor dem Fenster waren Pflastersteine lose geschichtet, dazu dienend die steile aufwärtstrebende Gasse vor dem heimatlichen Bauernhaus neu zu asphaltieren und zu pflastern. Er stieg auf das äußere Fensterbrett, ein beherzter Sprung unter Zuhilfenahme der Pflastersteine, sch befand er sich mitten auf der Gasse. Er trug einen hellgrünen Schlafanzug mit hellgrauen Längsstreifen. Seine Schwester war inzwischen aufgewacht, blickte neugierig, ein wenig belustigt und fragte: „Wo willst Du hin?“ „Schwester Käthe suchen.“ antwortete er, was gelogen war. Seine Schwester lächelte und sagte mit der ihr eigenen Gelassenheit: Komm wieder rein, ich bin so müde.“ Er fand das sie eigentlich recht hatte und wollte sich schon auf den Rückweg in sein Bett begeben. Dann jedoch änderte sich die Geräuschkulisse, Laut schlug die Kirchturmuhr, Sie schlug zehn mal. Auch das war ein vertrautes Geräusch. Im selben Moment schritt eine Gruppe Menschen die Gasse hinauf. Er erkannte sogleich, obwohl es nun sch deutlich finsterer wurde: Eine ältere Frau in der typischen schwarzen Witwentracht des Klippdachslandes. Es war Niewes Oma Eine frohe lustige Frau, mit schwerem wiegendem Gang. Gleich daneben ihre Tochter, ebenfalls oft lustig und frohgemut durchs Leben schreitend. Bei uns Kinder war sie beliebt aber auch gefürchtet, wegen ihrer Kitzelattacken die uns plötzlich und unerwartet trafen. Direkt dahinter, Schwester Käthe. Sie sah ihn gleich, eilte voran und winkte freudlich. Sie kann auf ihn zu strich ihm, so wie immer, über die Haare und lächelte ruhig und mitfühlend. Nun erblickte er die Mutter, besorgt, daneben der Vater. Er blickte enttäuscht und verständnislos aber keineswegs erbost auf seinen Sohn der dort halb ängstlich halb neugierig im Schlafanzug mitten auf der Gasse stand. Gleich dahinter ein dicker alter Mann mit Schirmütze, eine einfache Ausführung der Prinz Heinrich Mütze und krähte boshaft:

„Do örre wörrer. Kotches Angstschesser. Gruus Maul onn nix derhinner. Onn suwos well wenn Jonge säi. Schaam dich….!“

Hochdeutsch: Da ist er ja schon wieder. Kotches (Hausnahmen) Angstscheiser (Angsthase) Immer einen großen Mund riskieren, jedoch nichts dahin. Und sowas will ein echter Junge sein. Schäme Dich!

Er stand da.

Wie angewurzelt.

Und schämte sich… .

Somnolia

Madame Somnolia du Schöne
Schwere Lieder sind der Schwerkraft ausgesetzt
Werden immer schwerer
Als ob gezogen
Mit Gewichten zentnerschwer

Was kann man tun
Zwinkern mit den Liedern
Kopf nach hinten strecken
Schultern heben dehnen
Gähnen Atmen Nase schniefen
Sich die eigenen Wangen kneifen


Nur Sekunden Liederflattern
Dann ein Zucken aller Glieder
Dann rechts als wie ein Blitz ihn trifft

Für Augenblicke Wachheit ihn durchströmt
Der Puls steigt hoch
Wärme nun erfüllt die Wangen
Kleiner Schwindel ihm zu Kopfe steigt
Nur Sekunden er ganz wach

Doch heimlich dann
Erst kaum zu spüren
Kommt Madame Somnolia zurück
Lieder wieder schwer wie Blei
Bilder steigen auf
Frühlingsdüfte Weihnachtsdüfte
Eine Wanduhr tickt

Der Kampf um Wachheit geht verloren
Somnolia du Schöne
Komme nun ergeben mich
Lass mich vergessen schwere Lasten
Verwische alles was den Kopf noch füllt

Hülle mich in einen schönen Traum

Somnolia du Schöne

Pudding Abitur

Puddingabitur Ein Glaskasten links hinten. Von links bündig mit der Fensterfront. Etwa vier Meter lang und vier Meter breit. Dieser Kasten war Bestandteil der Lehrlingswerkstatt bei der Firma Merkator und Heimbürger am Rande der Gemeinde Waldau ganz nahe an der Landesgrenze zwischen Hessen und Südwestfalen.

Man produzierte Fleischereimaschinen im großen Stil. Für Schlachthäuser hauptsächlich auch für Wurstfabriken. Die Lehrwerkstatt, ein langer Schlauch. Etwa 15 Meter lang, 8 Meter breit. Der Boden aus Beton, schwarz von Metallstaub und Spänen, vermischt mit Bohröl und anderen schmierenden Bestandteilen, die eben zur Metallbearbeitung notwendig ist. Dieser eckelerregende Duft Cocktail aus heiß gewordenem Bohröl, ranzigen Schmierfetten und Ölen waberte durch alle Fabrikgebäude, so auch durch die Lehrwerkstatt. Er klopfte an die Tür des Glaskastens. Die Scheibe darin schepperte vernehmlich. „Herein“, daß „He“ verschluckte er immer. Also „Rein“ „Was hasde scho wörrer (schon wieder) ? Adolph Jakobus der Lehrlingsmeister, residierte in diesem Glaskasten. Ein dicker Mann, Brille ein schmieriges Recht aufgedunsenes Gesicht, Glatze, die spärlichen Haare von links nach rechts, fettig über die Glatze gezogen. Der Glaskasten war erfüllt von Gestank.

Jeder wußte, daß er an Verdauungsschwierigkeiten litt, dauernd pupste, unangenehm säuerlichen, fauligen Mundgeruch ausatmete. Kettenraucher, Ernte 23. Eine rundum mürrische Persönlichkeit, grundsätzlich mißtrauisch und ablehnend gegenüber seinen Schützlingen. Er trug den üblichen grauen Kittel,im Gegensatz zu den Schlossern dieser Firma jedoch sauber, ohne Öl- und schwarzen Schmutzflecken. „Zeig her!“ Er reichte Ihm ein blankes zurechtgefeiltes Stück Stahl in U Form. Er zückte ein Stahllineal. 10 Zentimeter lang mit Millimeter genauer Zahlenteilung. Er hielt sein Lineal aufrecht, legte es aus die äußere Fläche des U-Stahls, habe es gegen das Licht, kniff ein Auge zu und prüfte. Er schüttelte den Kopf. „Total ungenau. Hier ein Bogen reingefeilt, da mindestens 2 Zehntel zu wenig abgenommen, dort nicht richtig entgratet Hier der Radius an der Innenseite überhaupt nicht bearbeitete.“ Er hatte es geahnt. Kleine Schweißperlen traten Ihm auf die Stirn. Ihm wurde ganz übel. „Ausschuss, nochmal machen“ Er zündete sich eine Ernte an, nahm einen tiefen Zug und sagte. „Und sowas will Ingenieur werden.“

Er dachte: “ Der Mann hat Recht“ Ingenieur war keineswegs seine Berufung Wie hatte er den der U Stahl überlebt? Ja, hat er hat es überlebt. Feilen, vor allem, wenn sowas über Tage und Wochen geht, war vorderhand sehr mühsam, im Grunde genommen ein Trauma für ihn.

„Am wichtigsten ist, daß du nicht zu schnell feilst, maximal zwei Striche/Sekunde. Nicht wild drauflosfeilen, sondern ruhig und überlegt. Schraubstock auf die richtige Höhe einstellen, am besten den Ellbogen 90° abwinkeln und die Feile sollte genau auf dem Werkstück liegen, dann hast du mal die richtige Höhe. In dieser Stellung wirst du auch schnell das „richtige“ Gefühl für einen geraden, planen Strich bekommen. Immer möglichst diagonal feilen, um die besser Auflage zu haben und weniger zu kippen – paar Striche links, ein paar diagonal verkehrt nach rechts. Solltest du dennoch den einen oder anderen Buckel drinhaben, mit dem vorderen Teil der Halbrundfeile diese Stelle bearbeiten, bis der Buckel halbwegs weg ist, dann wieder mit einer geraden weitermachen.“

Diese Sätze dienten Ihm als eine Art Mantra, um durchzuhalten, um sich gegen aufkeimende Depressionen, gegen die Verzweiflung ob der Sinnlosigkeit dieser Arbeit, zu wehren. Mit wenig Erfolg. Es war diese Gleichförmigkeit, diese als unentrinnbar empfundene Zwangsläufigkeit, diese Dumpfheit, Trägheit in den Augen der Arbeiter, die, so glaute er, schon aufgegeben hatten von einem anderen Dasein wenigstens noch zu träumen.

Die Gesichter grau, so grau wie die Kittel die sie trugen. Die Augen ausdruckslos ins Leere starrend. Ganz entfremdet, von einem elementaren Teil der menschlichen Existenz des schaffenden Menschen der in seiner Tätigkeit Sinn findet. Nur noch an den Feierabend denkend, an das Wochenende. An die freien Tage, vor allem an die nach Weihnachten, an den Jahresurlaub.

Nachdem er dem ABB Plan und damit diesem unsäglichen Adolph Jakobus entronnen war, so nach 3 Monaten, glaubte er dem schlimmsten entronnen zu sein. Weit gefehlt. Man steckte Ihn, so wie es im Plan für sein Praktikum vorgeschrieben war, ins Konstruktionsbüro der Firma, so gab man vor. Er landet allerdings im Keller des Konstruktionsbüros. Dort wurden Kopie angefertigt. In der Hauptsache Betriebsanleitungen monströser Maschinen, die in der Hauptsache nach Russland exportiert wurden. Vorne Ochse rein, hinten Bockwürstchen raus, wir „Rutz“ zuspitzend bemerkte. Rutz war ein junger Mann, Maschinenschlosser von Beruf und seit vielen Jahren bei der Firma Merkator beschäftigt. Er fuhr „auf Montage“ vor allem nach Russland, um besagte Monstermaschine vor Ort aufzubauen und in Gang zu bringen. Sein oft 3 bis 4 Monate währender Aufenthalt in Russland steigerte seine Trinkfestigkeit enorm, ohne daß er jeh einen Alkoholismus daraus entwickelte. Tausende Seiten Betriebsanleitungen, auf russisch, kopierte er in jenen Wochen. DeI Kopiemaschine lief ständig warm, ja sie glühte regelrecht, bis sie ihre Funktion aufgab und ersteinmal ausruhend abkühlte.

Der „Kopier- und Blaupausen Keller“ war ohne Tageslicht, erhellt von grell leuchtenden Neonröhren. Es roch nach Papier, überhitztem Kopiergerät und, wenn riesige Blaupausen hergestellt wurden eckelerregend nach …… . Trotz dieser vergleichsweise widrigen Bedingungen fühlte er sich dort recht wohl. Nicht zuletzt deswegen, weil dort auch recht attraktive Frauen jüngeren Alters tätig waren, die keck und adrett gekleidet, sich wohlwollend von den alltagsgrauen bekittelten Männern abholen denen er sonst begegnet war. Er selbst durfte nun auch den grauen Kittel ablegen und Schlaghosen tragen, damals modisch hochaktuell.

Zu jener Zeit verbrachte er geraume Zeit in der Herrentoilette, einfach um den Dingen wenigstens räumlich zu entrinnen. Rauchen in der Toilette war damals kein Problem. In der Toilettenkabinen war überall ein Aschenbecher neben der Klorolle angebracht. Er zündete sich dann eine seiner geliebten Gauloises ohne Filter an, dachte nach und ließ sich von seiner Phantasie davontragen. In der Puddingschule, die er während dieser Zeit drei mal die Woche besuchte, gab es das Fach Religion. Eines jener Fächer, daß Ihn wirklich interessierte. Abgehalten von einem gewissen Herrn Ginsterburg, einen Lehrer Anfang sechzig, mit wirren spärlichen Harren, mit schlechter Reputation bei den Schülern. Er fand, vollkommen zu unrecht. Er trug nicht vor, sondern ließ zu bestimmen Themen diskutieren. Die Themenstellungen waren sehr unterschiedlich, berührten unterschiedlichen Themenstellungen, vor allem ethische aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen. Es waren vor allem ethische, gesellschaftlich politische Fragestellungen.

Er zeigte sich als ein empfindsamer, wacher Humanist, dem nicht egal war welchen Weg die damalige Gesellschaft nehmen würde. Seine Schüler verstanden das nicht, oder wollten es nicht verstehen. Im Gegenteil, sie überzogen Ihn mit Spott und Hohn. Einmal sagte er: “ Meine Herrn ich trage mein Herz auf der Hand.“ Erstaunlich ehrlich. Vor allem für einen Mann der damaligen Generation. Ihm hat sich dieser schöne Satz tief eingeprägt. Um Laufe der Jahre dann, mit einer bitteren enttäuschten Hinzufügung: „Wer sein Herz auf der Hand trägt ist in Gefahr es weggenommen zu bekommen.“ Zur Weihnachtszeit redete er über dem Liedermacher Dieter Süverkrüp, der sich kritisch mit dem bürgerlichen Verständnis der Weihnachtsbotschaft in Form eines Gedichtes auseinandersetzte:

„Stille Nacht, heilige Nacht Weihnachtsgeld wird gebracht Durch Herrn Ruprecht vom Lo-hohnbüro Schweigend geht die Belegschaft aufs Klo.

Zählend, wie viele Krümel Gnädig vom Herrntisch gefall’n Stille Nacht, heilige Nacht Falscher Trost! O, wie lacht Der Direktor mit randvollem Mund Singt uns gnädig zu göttlicher Stund: „Arbeitsfriede auf Erden!“ Wir fallen mal wieder drauf rein

Billige Nacht, eilige Nacht Ratenkauf, leichtgemacht Durch der Engel Alleluja Die gehören zum Werbe-Etat Denn der Vater im Himmel Ist Präsident vom Konzern

Stille Nacht, heilige Nacht Lichterbaum angemacht Und ein liebliches Liedlein gesingt Und ein Eierlikörchen getrinkt Und die Kinder geprügelt Bis sie hübsch andächtig sind.

Gute Nacht, peinliche Nacht Fernsehspiel ausgemacht Und im Magen ein flaues Gefühl Weil die Liebe nicht hochkommen will

Noch zwei Nächte zum Schlafen Dann wieder rinn in‘ Betrieb Stille Nacht, heilige Nacht Weihnachtszeit rumgebracht Großes Gähnen im Portemonnaie Überstunden tun immer noch weh!

Falscher Frieden auf Erden Feierten wir mit den Herrn Wilde Nacht, streikende Nacht Eines Tag’s, nicht ganz sacht Pfeifen wir auf die Gnade der Herrn Übernimmt mal das Volk den Konzern Und die Führung im Staate Das wird ein Weihnachtsfest wer’n.“

Aus heutiger Sicht ein ziemlich dummes Gedicht. Perspektivlos, holpriges Versmaß, ideologisch einseitig, flach. Zu jener Zeit aber zeitgeistentsprechend und durchaus angebracht.

Zu dieser Zeit, morgens Viertel nach sechs an der Behelfshaltestelle zur Firma Merkator und Heimbürger, es war kalt, düster und regnerisch. Er verließ den Arbeiterbus. Der Dunst aus Diesel, überhitzter Heizung, Männerschweiß, Fußschweiß, Leberwurststullen für die Frühstückspause verflüchtige sich.

Gemeinsam mit einem Jungarbeiter hasteten sie in Richtung Fabrik. Schnell, atemlos und missmutig. Mit einem mal, sah er Ihn. Zum ersten Mal. Groß, grauschwarzes, zotteliges Fell. Der Kopf gesenkt, die Lefzen schlaff, das Maul nur wenig geöffnet, die Zunge bewegte sich schwach im Rhythmus seines Atems seine Rute gesenkt, schlaff, den nassen Asphalt fast berührend.

Er war der schwarze Hund. Seine Augen blicken zu Ihn hinauf. Es war ein zögerliches ängstliches Aufblicken. So als ob er sagen wollte: „Mein Freund, Du kennst mich doch. Schon lange. Nun kannst Du mich auch sehen. Ich begleite Dich seid langer Zeit. Du konntest mich nur noch nicht erkennen. Jetzt bin ich bei Dir, auch sichtbar, allerdings nur für Dich. Ich verspreche Dir. Ich werde Dich niemals mehr verlassen.“

Es war sonderbar, er erschrak nicht beim Anblick dieses schwarzen Hundes. Später erkannte er weshalb er sich nicht ängstigte. Es war SEIN schwarzer Hund. Da war es wieder dieses Gefühl von:

Etwas nicht zu beschreibendes, etwas drohendes, dunkles, leeres, einsames unsagbares Vernichtung und Endgültigkeit kündendes. Diesmal begleitet von SEINEM schwarzen Hund. Der sollte ihn von nun an nicht mehr verlassen. Niemals mehr.

Sein kleines Glück in der Vervielfältigungsabteilung, dauerte allerdings nur kurz. Kurz nach Weihnachten wurde er versetzt. Zuvor allerdings erhielt jeder Mitarbeiter der Firma ein Weihnachtsgeschenk. Auch er als Praktikant. In der Hoffnung, daß nun alles gut würde nahm er dankend an. Erhielt er doch eine rießige dicke Dauerwurst, aus einer Fleischfabrik. Es war eine jener Großschlachtereien, die ohne Rücksicht auf Tierwohl, massenweise Wurst aus minderwertigem Fleisch herstellen. Geschmacklich jenseits von gut und böse. Sauer wie Essig, versalzen, fettig.

Man versetzte Ihn in die Dreherei. Zunächst konnte er sich darunter nur wenig vorstellen. In einer riesigen Maschinenhalle standen Monstermaschinen, die an Dinosaurier erinnerten. Das waren in der Hauptsache riesig anmutende Fräsmaschinen, immer Bereit und Willens unterschiedlichen metallischen Gegenständen eine ganz bestimmte beabsichtigte Form und Oberfläche zu geben. Die konnte nur gelingen, wenn der Fachmann an der Fräs- oder Bohrmaschine sich genauestens an Vorgaben hielt, ging es hier doch nicht nur um einzehntel oder um einhundertstel, ja sogar um eintausendstel eines Millimeters an Maßhaltigkeit.

Ein Facharbeiter, der besonders genau arbeite, sich oft beklagte, wenn er ein bereits vorgearbeitetes Werkstück erhielt, welches nicht seinen Vorstellungen auf Maßhaltigkeit entsprach, wurde von allen nur noch Mü-michel genannt. Man könnte auch Mikrometermichel sagen. „Ein Mikrometer entspricht 0,001 Millimeter und wird mit dem Symbol µm gekennzeichnet. Oft wird nur die Bezeichnung µ oder my (Aussprache „mü“) verwendet. In der Regel spricht man von einer Folie, wenn die Materialstärke weniger als 1000 my (1 mm) beträgt.“

Diese Welt war ihm vollkommen fremd. Eine Welt in der große Maschinen um tausenstel Millimeter kämpfen, steht’s auf das genaueste überwacht von Facharbeitern, kassenbebrillt in grauen Arbeitskitteln, machten ihm Angst, verfolgten ihn bis in seine Träume. Er selbst, die meisten wußten inzwischen schon, das der Beruf des Ingenieurs für Ihn vollkommen unpassend war, wurde mit gröberen Arbeiten betraut.

Da lagen lange runde Rollen aus Stahl oder Grauguss. Die würden Stangen genannt. Von diesen Stangen wurde 20 bis 30 Zentimetern lange Stücke abgesägt. Das bewerkstelligte eine große Eisensägenmaschine, die zur Kühlung eine milchige Flüssigkeit, Bohröl genannt, benötigte. Deren zischendes Verdampfungsgeräusch, verbunden mit diesem süßlich stumpfen Geruch waberte mal mehr mal weniger über das gesamte Fabrikgelände, setzte sich in der Kleidung und im Schuhwerk fest.

Berichtet wurde von einem Arbeiter, der seine Mittagspause schlafend zu Füßen seiner Fräsmaschine verbracht. Es war ein Lattenrost, der in seinen Zwischenräumen Platz für Spänereste und herumspritzendes Bohröl ließ. Dieser Mann sei, plötzlich schwer erkrankt, in jungen Jahren, an Krebs verstorben. Er hatte nun die Aufgabe jene abgelängte Stangenteile mittig zu durchbohren.

Die geschah in 3 Arbeitsgängen. Zunächst ein kleines Loch ins volle Material bohren. Danach etwas größer, und schließlich noch größer. Das war sein Tagwerk. Diese Scheiben stapelte er sorgsam für die Weiterverwendung, als „Halbzeuge“ für die Weiterverwendung in der Dreherei. Die wiederum drehte daraus Scheiben, die dann silber glänzend ebenfalls weiterverwendet wurden. Diese „Durchbohrerei“ war langweilig, öde, forderte den Verstand keinesfalls, es stellte sich sehr bald ein fataler Automatismus ein, der ihn von dieser stupiden Arbeit, von dieser trostlosen Umgebung, letztlich von sich selbst entfremdete.

Ein kleiner Lichtblick in dieser Ödnis war Werner Unterdemgestüt. An den Wochenenden ein wortgewaltiger evangelikaler Laienprediger, während der Woche ein Arbeiter an der Drehmaschine.

Einer ganz besonderen Drehmaschine. Zum zerkleinern von Fleisch bis hin zu einer breiigen, schleimigen Masse, Fleischwurstbrät genannt, brauchte man ganz besondere riesige Maschinen um diese Fleischwurst in Massen zu produzieren. Man nannte diese Maschinen Cutter. Diese Maschine besaß einen riesigen Teller ähnlich ein Gugelhupf Form. Dort aus Grauguss gegossen, musste sie mit in eine passgenaue Form gebracht werden. Dies Aufgabe oblag Werner mit seine Riesendrehmaschine. Die dafür notwendigen Arbeitsschritte mussten sorgfältig und langsam vollführt werden. Werner tat dies gerne, hatte er doch dabei Zeit sich zum Beispiel mit mir unterhalten zu können. Ein kleines Glück für Ihn.

Zum Ende seines Praktikums erbarmte sich ein gütiger, umsichtiger Arbeiter, der sich der hiesigen Darbistengemeinde zugehörig fühlte. Dieser mit Namen Herbert Weiß, legte eine gutes Wort für Ihn ein und nahm Ihn für den Rest seines Praktikums unter seine Fittiche. Diese guteTat ist unvergessen. Unvergessen als eine Tat der Mitmenschlichkeit gegenüber einem jungen Mann, der zu jener Zeit ohne große Orientierung durch sein Leben schlitterte und Gefahr lief den Halt zu verlieren. Diesem guten Menschen zum Andenken, ist dieser Erzählung auch verfasst worden.

Jene Pudding Schule war weit davon entfernt einem bürgerlich ganzheitliche orientierten Bildungsideal zu folgen. Im Gegenteil. Gelegentlich hatte er den Eindruck, viele im Lehrkörper wussten damit wenig anzufangen, oder wußten nicht was sich hinter einem solchen Bildungsideal verbarg.

Einer sagte, nicht ohne Stolz, einmal,während einer privaten Feier, er habe das letzte Buch in seiner Kindheit gelesen. Winnetou 2. Danach auch während seines Studiums nur die notwendigen vorgegebenen Texte und einschlägige Fachzeitschriften zum Thema Betriebswirtschaft. Das damalige Fächertableau für Metaller in der Pudding Schule: Fachkunde Metall, Werkstoffkunde Metall, Elemente technischer Gebilde. Ein Fach von dem er bis heute nicht verstanden hat warum es da eigentlich ging. Angewandte Mathematik Physik, Chemie ebenso angewandt. Die Fächer Deutsch, Englisch, Religion nur rudimentär angeboten, obwohl wie bereits beschrieben, der Religionslehrer sich größte Mühe gab und dafür nur Höhn und Spott erntete. Das erste Jahr, praxisbegleitender Unterricht.

Das hieß: Samstags, und Montags Unterricht oder das was dafür gehalten wurde. Dienstag bis Freitag Praktikum in einer Firma . Ihm wurde gleich zu Beginn der Schule vom Physik und Werkstkunde Lehrer vorhergesagt, daß er sehr bald den schulischen Offenbarungseid leisten müsse.

Sein Name war Erich Immenhof. Nicht nur äußerlich dem Lehrlingsmeister Adolph Jakobus ähnlich. Sie kannten sich persönlich. Heute wurde man sagen:

Zwei alte weiße Männer. Ungepflegt, starr, eigentlich eher halbgebildet mit deutlichem Hang zu paternalistischen Größenideen.

Das wichtigste und fast einzige Lehrbuch was das Tabellenbuch Metall. Dunkelblauer robuster Paperbackeinband, die Buchseiten rosefarben. Der Inhalt, für ihn kryptisch, Tabellen im Übermaß, Formeln, Zeichnungen. Es roch so wie er es erwartete. Nach bearbeiteten Metall und heißem Bohröl. Ein Geruch der Ihm regelmäßig Übelkeit und Würgereitz bereitete. Die Prophetzeihung Offenbarungseid trat ein. Nicht versetzt. Was nun. Auswandern, Schafhirte werden oder Klasse wiederholen. Er entschied sich schließlich für’s Wiederholen. Zum Glück ohne Praktikum, das galt ja als teilgenommen.

Das schuf Freiräume. Freiräume zum gelegentlich arbeiten als Bauhelfer, Zeit zum wandern, zum Träumen und zum lesen auch außerhalb des Tabellenbuchs Metall, was Ihm nicht erspart blieb. Zeit zum rauchen, zum Bier trinken bei Jakob den klugen Wirt. Er beschloss für sich: Du musst die 2 Jahre bis zum Pudding Abitur schaffen. Danach würde er weitersehen.

Aber wie? Er nahm sich vor sein Hirn zu teilen. Eine Seite zum auswendig lernen des Tabellenbuchs Metall. Die andere Seite zum träumen, rauchen und lesen. Er versucht sich daran und merkte bald, es geht, zwar sehr schwer aber es geht, es muß gehen. Die Tabellenbuchseite quälte sich. Auswendig lernen ohne Sinn und Verstand, ohne Zusammenhänge erkennen wollend. Bis zur nächsten Klassenarbeit, dann schnell alles vergessen und bis zur nächsten Kassenarbeit wieder auswendig lernen und das über 2 Schuljahre.

Der anderen Hirnhälfte ging es besser. Sie durfte träumen und vor allem sie durfte auch außerhalb des Tabellenbuchs Metall lesen. Dort tat sich für Ihn eine kaum gekannte neue Welt auf. Er begann mit den Simmel Romanen. Bekam Geschmack und landete sehr bald Heinrich Böll Franz Joseph Degenhardt mit seinen Bankenliedern und Günther Wallraff. Recht bald dann auch bei Günther Grass mit der Blechtrommel, dessen Schreibstil Ihn zunächst deutlich überforderte.

Für das Thema Politik: Der SPIEGEL, jeden Montag mit dem Fahrrad oder mit dem Bus zum nächsten Kiosk, immer egal was passierte. Ja, auch Lexika hatten es Ihm angetan. Diese kurze klare Sprache tat Ihm gut. Sein Favorit zu jener Zeit: Das kleine Lexikon der Erziehungswissenschaften erschienen bei Rowolt. Blauer Einband, kleine Schrift, schlechtes Papier. Dafür roch es herrlich. Es roch nach mehr, nach der großen weiten Welt des Wissens und der Wissenschaft. Nach der Freiheit der Gedanken, nach Offenheit, Liberalität im Denken und Handeln. Nach Toleranz und Menschenfreundlichkeit. Es duftete nach Humanismus. Er laß es einmal zweimal dreimal, könnte den Inhalt bald fast auswendig.

So überstand er diese Zeit, schaffte das Pudding Abitur recht leidlich.

Zwei Jahre später, hatte er Glück und lernte die Liebe seines Lebens kennen.

Zum Jahreswechsel – Nochmals in eigener Sache

Liebe Leser*innen
Zu Ende des Jahres halte ich es wie auch im vergangenen Jahr für richtig und auch für geboten einige Sätze an Euch zu richten.

Und, nein es geht nicht um die Covid Pandemie, die uns alle betroffen hat.

So gut wie alle Erzählungen die ich auf meinem Blog veröffentliche beziehen sich auf selbst Erlebtes aus den vergangenen, nun sagen wir 50 Jahren.

Es liegt keinesfalls in meiner Absicht, einzelne Personen bloßzustellen oder sie in Ihrer Lebenweise, Ihrer Lebenseinstellung, Ihrer Überzeugung oder Ihrer religiösen Auffassung zu kritisieren oder gar parteiisch zu bewerten.

Im Gegenteil

Ich schreibt hier vor dem Hintergrund einer großen Zuneigung und Liebe gegenüber den Menschen, Ihrer Lebensweise und der Art und Weise wie sie Ihr Leben gestalten, wie Sie ihr Leben bewältigen, bin ich doch höchstselbst ein Kind dieser Region, dort geboren, zu Schule gegangen, Herangewachsen, Familie gegründet und immer noch gerne dort lebend.

Wichtig sind mir Dinge zu beschreiben, die ich so empfunden, so erlebt habe und welche Rückschlüsse ich daraus für sein eigenes Leben gezogen hat.

Dabei bemühe ich mich durch sprachliche Überzeichnungen, humorvolle und satirische Stilelemente, meine Leser zu interessieren und zu unterhalten.
Das Alltägliche zu beschreiben, Einzelheiten zu erkennen zu deuten und in einen größeren Zusammenhang zu bringen ist eine Leidenschaft die mich steht’s erfasst, wenn ich zu schreiben beginnt.

Bin ich doch davon überzeugt, daß sich im Kleinen das Große verbirgt und das im Großen stehts die Essenz aus dem Kleinen zu finden ist.

Heinrich Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht…“

Nichts aber auch überhaupt nichts liegt mir daran eine „heimattümelnden“ kitschigen Wiedersprüche nivellierende Erzählweise zu pflegen, die subjektiv empfundene Wiedersprüche, Ungleichheiten sowie Benachteiligungen zukleistert oder gar leugnet.

Die Schmiede der Familie Simon aus der Fernsehserie Heimat

Im Gegenteil

Die Meinung des Verfassers, bezogen auf das Thema Heimat wird wohl am deutlichsten durch den Blog-Beitrag:

Deutsch nicht dumpf ?

deutlich.

Für 2021 wünsche ich allen Leser*innen meines Blogs Gesundheit und Frieden.

Kurt Tucholsky „Ja ich liebe dieses Land…“

Elferraus und Apfelstrudel

In Memoriam

Meiner lieben Tante Ernestine die nun leider von uns gegangen ist

Oma Christine war eine besondere Frau. Steht’s gütig und darauf bedacht alle Mitglieder ihrer Familie zu achten, vor allem die Kinder.
Eine Köchin, die aus den einfachsten Zutaten köstliche Gerichte zaubern konnte.
Ihr reichten Mehl, Wasser, ein bisschen Hefe, Zucker, Zimt, ein paar Äpfel oder Quark, um einen köstlichen Strudel zu bereiten, der seinesgleichen suchte.

Und, sie liebte Kinder. Lies dann alle Hausarbeit liegen wenn Enkelkinder, Neffen, Nichten zu Besuch waren:
Nachmittags so gegen drei. Seine Schwester und er machten sich auf den Weg. War ja nicht weit. Eine Straße bergab. Das schwarze Kirchengebäude ragte auf der gegenüberliegenden Seite massig empor, der Kirchturm schwang sich empor. Oben in der Mitte des Turms befand sich ein kleines Fenster aus dem ein schwacher Lichtschein zu sehen war. Ein Geräusch war zu hören. Metallisches es Klacken: Klack klack, klack, klack. Der Kirchendiener versah auch an diesem diesigen Novembertag seinen täglichen Dienst. Die Turmuhr musste täglich aufgezogen werden.

Ein schmaler Mann, ein wenig gebeugt schon überquerte dann die Straße, den Schlüssel der Kirchentür schon in der Hand. Ein braver Mann unscheinbar zurückhaltend. Er nuschelte vernehmlich beim sprechen. So als ob er das wüsste, sprach er Recht wenig.

Der Wetterhahn auf seiner Spitze war kaum noch zu sehen. Dann weiter gleich links bis zur zur Dorfkneipe. Wieder links und dann steil bergan. Es nieselte, Kuhfladen bildeten eine schmierige dunkelbraune Masse. Man musste aufpassen darauf nicht auszugleiten. Mitte November, es war den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Trübe, die Wolken schwarzgrau, neblig und dunstig.

Blickte man hangaufwärts nach rechts war da ein Bauernhaus in exponierter Lage. Gleich daneben ein riesiger Ahornbaum mit weit ausladendem Geäst. Früher, im 19. Jahrhundert, hatte dort eine kleine Fachwerkkirche gestanden. Davon ist nichts mehr vorhanden. Nur mündliche Überlieferungen erzählen davon.
Heute wohnte in dem besagten kleinen Bauernhaus ein Wagener, ein Stellmacher mit seiner Frau.
Seinen Beruf übte er schon lange nicht mehr aus. Aber, seine kleine Werkstatt, die Wagenerkammer, die existierte noch.
Er, schon lange in Rente war überdies über den Sommer der Dreschmaschinenführer.
Ein wichtiges und verantwortliches Amt, welchem er sorgfältig, stolz und mit Würde nachkam.
Dazu aber mehr an anderer Stelle.

Weiter bergan. Gleich links dann erneut ein kleines Bauernhäuschen.
Hier wohnte der Hausschlachter, der gleichzeitig auch bei Rückenproblemen und Knochenbrüchen konsultiert wurde.
Ebenso bei einfachen tierärztlichen Behandlungen, die sich vor allem auf das Kastrieren von Katzen und Ferkeln erstreckte, schritt er helfend zur Tat.
Auch dazu mehr an anderer Stelle.
Nach einer kleinen Weile dann war die Steigung überwunden und es ging bergab.

Einige wenige Meter noch. Das Haus der Grosseltern. Erbaut in Stile der 50er Jahre. Steiles Dach mit kleiner Dachgaube.
Das Parterre, als Kellergeschoss genutzt eine massive Bruchsteinmauer in Diabaststein.
Auf das sorgfältigste vermauert, die Mauerecken zusätzlich mit Hammer und Meisel in die Senkrechte gebracht.
Ebenerdig links ein kleiner Hof, gepflastert.
Die Pflastersteine aus Beton gegossen, selbstredend von Hand gegossen und verlegt.
Gleich dahinter rechtwinklig zu Haus der Schweinestall.

Gleich obenauf im ersten Stock mit einem Fenster zum Hof Opas Schreinerwerkstatt, besser Werkstatt für alles was gebaut, instandgesetzt, und aufgefrischt werden musste.

Vor dem Hause, ein kleines Gärtchen mit einer Rosenblumen Rabatte. Und der Mitte ein Bank, grün gestrichen und selbstverständlich von Grossvaters Händen hergestellt.

Zurück zum Hauseingang. Eine steile Treppe führte zur Haustüre.
Eine Türklingel war nicht erforderlich.
Oma war eigentlich immer, wenn Sie zuhause war in ihrer Küche und werkelte dort.
Sie brauchte dann lediglich aus dem Fenster zum Hof hin zu schauen und hatte damit die Haustüre fest im Blick.
So war es auch diesmal.

„Kummt rinn. S gebt Strudel.“ sagte sie im unverwechselbaren Dialekt der Donauschwaben und strahlte uns einladend an.
Kaum in der Küche, die Anoraks vorher an der Garderobe abgelegt.
„Wollt ihr Kaba?“
„Au ja gerne“
Oma Griff zu einem himmelblauen kleinen Kochtopf der auf dem Ölherd stand.
Die Milch war warm. Schnell drei Teelöffel „Kaba“ in beiden großen Tassen. Die Wärme Milch dazu umrühren und fertig.
„Schmeckt ja so gut“ sagte seine Schwester.
Sahnig, milchig, nach Schokolade und nach Vanille schmeckend, herrliche duftend.

Der Geschmack und Geruch der Kindheit, den man nie vergisst.
Überhaupt ein harmonisches Konzert von Düften erfüllte Omas kleine Küche.
Da war der Hefeteig der sich bereits gährend in einer Steingutschüssel blähte.
Süsssauer der Duft der bereits geraffelten Backäpfel, aus dem eigenen Garten, bereits ein wenig goldbraun angelaufen. Vanillezuckerduft.

Und kaum riechbar der Geruch des brennenden Ölherds, eine hauchfeine Petrolnote, die nicht störte, sondern das olfaktorische Erlebnis komplettierte, eben der Grosseltern Hausgeruch, so wie damals jedes Haus seinen typischen unverwechselbaren Geruch hatte.

„Wo ist eigentlich der Opa?“ fragte eine Schwester, die noch ein kleines Kakaobärtchen an der Oberlippe hatte.

„Där iss beim Balzer (Balthasar). Duut Ihm helfe.“ antwortete Oma.
Balthasar war der Gatte von Ernestine, die Tochter von Oma.

Balthasar war ein kluger steht’s verschmitzt lächelnder Mann. Immer zu Scherzen aufgelegt. Ein lieber Gatte und vorbildlicher Schwiegersohn.

Genau so seine Ernestine die nun leider von uns gegangen ist. Sehr kinderlieb, herzlich, gemütvoll, so wie bei der ganzen Familie zu beobachten.

Alle zusammen Donauschwaben, seit Jahrhunderten aus Not und Verfolgung flüchtend im Balkan eine neue Heimat.

Da war wohl eine glutvolle emotional offene slawische Seelenverwandtschaft entstanden, der die Familienbande überalles ging und Kinder immer die wichtigste Rolle einnahmen.

Und fleißig waren sie, sehr fleißig, aber auch immer bereit zu feiern, gut zu essen und zu trinken.

Die Küche der Donauschwaben, war stark beeinflusst von der K.u.k-Monarchie des 19. Jahrhunderts und deren Multikulturalismus. Sie brachte eine völlig neue Küche ins Klippdachsland. Zutaten wie Knoblauch, Gemüse wie Tomaten, Paprika waren dort bis dahin unbekannt.

Hasan, ein Albaner aus dem Kosovo arbeitete auf dem Sägewerk, gleich am anderen Ende des Dorfes.
Er, schon in den 60er Jahren als „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen, wohnte inmitten des Dorfes gleich beim Raiffeisen Lager.
Dort wurden vor allem Futtermittel verkauft.
Die kleine Lagerhalle hatte vor Kopfe einen noch kleineren Anbau der als Kasse, als Bank diente.
Dort arbeitete der Buchhalter des Raiffeisen Vereins. Ein gestrenger älterer Herr, stehts mit verdrieslicher Miene. Er gehörte der ansässigen Darbistengemeinde an, von der an anderer Stelle zu berichten ist.
Nun, die Bankfiliale war seit kurzem geschlossen worden und der ältere Herr der „Raiffeisen Pädder“ genannt wurde erhielt seine Rente.
Hasan nahm die Gelegenheit beim Schopfe, bewarb sich als Mieter mit dem Versprechen alle notwendigen Renovierungsarbeiten selbst zu tätigen und war von nun an der neue Mieter.
Hasan besuchte Woche für Woche den Opa.

Immer Samstag Nachmittag. Der guten Tradition folgend zog er an der Haustüre steht’s die Schuhe aus, ein Brauch der auch bei Opa und Oma üblich war.
Man begrüßte sich schon an der Haustüre herzlich und Opa geleitete den Gast durch die Küche hinein in angrenzende Wohnzimmer.
Von nun an sprach man ausschließlich serbisch, die Muttersprache von Hasan. Opa bot Ihm steht’s zur Begrüßung einen Racki an. „Wilscht n Rackel Hasan?“ Hasan nahm dankend an. Man unterhielt sich man sprach über Alles. Über die Arbeit, über die alte Heimat, über Politik….. . Und natürlich über Fussball, schließlich begann pünktlich um 17:30 die Sportschau auf dem Ersten. Oma kochte Kaffee und kredenzte einen köstlichen, am vormittag gebackenen Mohnstrudel, ein Hefegebäck, als Zopf geflochten, der so unvergleichlich leicht und locker gebacken war und köstlich zu Bohnenkaffee mundete.
Pünktlich dann gegen 18:30 verabschiedete sich Hasan dann. Man gab sich die Hand, oder klopfte sich freundschaftlich auf die Schulter. Opa begleitete Hasan zur Haustüre. Der zog seine Schuhe wieder an und trat nochmals grüßend den Nachhauseweg an.

Oma hatte inzwischen Küchenfenster und Wohnzimmerfenster geöffnet.
Dabei sagte Sie steht’s:
„Huii drr Hasan däär hott Stinkfiess“

Dies nur als ein Beispiel für die folgende Aussage:

Eine Verhärtung und Engführung in Fragen der Lebensführung, der Politik und der Religion war bei Oma, war in dieser ganzen Donauschwäbischen Familie nicht zu finden.

Man war fleißig, lebte sparsam, tat seine Pflicht, war durchaus gottesfürchtig. Aber nicht auf diese ausgrenzende verhärtete, kalte Art und Weise wie sie im Klippdachsland zu beobachten war.

Ihm tat das immer sehr gut. Es hat sein bisheriges Leben entscheidend geprägt.
Die Oma und auch der Opa haben immer noch ein festen Platz in seinem Herzen.

Elferraus und Apfelstrudel

„Wollen wir Mal Elfer-Raus spielen fragte seine Schwester.“
„Iss gut, mach ich gern mit eich“ sprach Oma, was nicht anders zu erwarten war.
Oma hatte bereits, auf der einen Hälfte des Tisches, den warmes Gefährten elastischen, herrlich duftenden aus der Steingutschüssel herausgenommen und ihn nach allen Regeln der Kunst gewalkt und zu einer Teigkugel geformt.
Das Mehl auf dem Küchentisch verstreut tat sein übriges damit das Werk gelang und der Teig nicht haften blieb.
Feine Staubwölkchen stoben auf und legten sich sachte auf Omas Arme, auf die Brille, ein wenig auch auf ihr silbernes Haupthaar.
Nun legte Sie ein weißes Tuch aus Leinen auf die eine Hälfte des ausgezogenen Küchentisches.
Der Teiballen darauf und kunstvoll im Viereck langsam, behutsam in die Länge gezogen.

Oma wischte die eine Hälfte des Küchtisches blank.
Die Geschwister hatten dort schon auf den Küchstühlen platzgenommen.
Oma öffente die linke Tür des Küchenschranks.
Eine vom vielen benutzen schon angegriffene grüne durchsichtige Plastikschachtel wurde von Ihr herausgenommen.
Elfer-Raus stand in erhabener Schrift darauf.
Die Schachtel barg die Elfer-Raus Karten. Auch schon recht abgegriffen, ein wenig speckig, von vielen spielen ein wenig fleckig.
Die Elferkarten herausortiert in auf dem Küchentisch zu einer senkrechten Reihe sortiert.
Inzwischen hatte Sie den fertig zusammengerollten Apfelstrudel auf ein Backblech geschoben und in den Backofen verbracht.

„Nu geht’s los.“
Das Spiel begann.
Jeder erhält 11 Karten auf die „Hand“
Bei jeden Spieler ordentlich gefächert, nach Zahlen und „Farben“ sortiert.
Der Rest kommt in den „Stock“.
Nun beginnt man passend an die Elfen, die nach Farben zu sortieren sind abzulegen.
Ist keine passende Zahl in der passenden Farbe auf der Hand muss man eine aus dem „Stock“ ziehen.
Ein schönes Kartenspiel, was den Spielern Zeit lässt sich nebenbei zu unterhalten, auch kurze Unterbrechungungen Schäden nicht.

So auch Oma, immerwieder aber ohne Eile nach dem Apfelstrudel zu schauen, der sich nun ganz sachte im Ofenrohr bräunte.
Karamelige Düfte erfüllten Zug um Zug die Küche, vor allem dann wenn Sie die Backofentüre vorsichtig öffnete um Ihr Werk zu betrachten.

Das Kartenspiel nahm seinen Lauf, immerwieder unterbrochen, weil Oma den Backofen öffnete und wieder schloss, fertig gebackenen köstlichen Strudel herausnahm und mit weiteren Strudeln, die noch zu backen waren, hineinschob.
Der Strudel köstlich. Elfer-Raus mit Oma spielen, dabei Strudel essen. Ganz zwanglos, ohne Anstandsregeln und Ermahnungen.

Manchmal wenn er alleine bei Oma war legte er sich auf das alte Chaiselongue gleich rechts unter dem Fenster zum Hof. Sein Kopf auf ein Sofakissen gebettet lauschte er den Freddi, wie Oma immer sagte Freddy Quinn… „Junge komm bald wieder……. .
Jenes Sehnsuchtslied der vielen Geflüchteten in den Nachkriegsjahren, daß die Sehnsucht, das Heimweh nach der alten Heimat besang.

Er hörte dann, ganz still und andächtig zu. Vor seinem geistigen Auge sah er dann die Bilder aus der alten Heimat von Oma, die Sehnsucht danach, den Schmerz und die Verzweiflung derer die vor Krieg und Not geflohen waren.
Das Radio, ein großes Röhrengerät, vorne mit Stoff bespannt, weiter unten die Skala mit den Namen der Städte von denen aus die Sender ihre Radiowellen in den Äther strahlten.

Noch weiter unten große elfenbeinfarbige Druckknöpfe.
Einer jener Knöpfe war im Laufe der Zeit zerbrochen. Der Opa handwerklich und auch kunsthandwerkliche sehr begabt und erfahren hatte jenen Knopf aus Holz nachgebildet, „gschnitzt“ sagte er. Er passte perfekt und ersetzte den entstandenen Schaden.

Links und rechts der Skala zwei große schwarze Drehknöpfe. Der linke für die Lautstärke, der rechte für die Senderwahl.
Drehte man diesen, bewegte sich ein senkrechtes weisses Stäbchen hinter der durchsichtigen Skala in der waagrechten hin und her.
Die Skala war von hinter mit 2 Glühlämpchen beleuchtet, so war alles gut zu sehen.
Er konnte dann auch der Knopf für die Kurzwelle drücken.
Bewegte er nun den rechten Knopf eröffnete sich Ihm die ganze Welt. Auf der Skala die Funk und Radiostationen einer ganzen Welt: Rom, Paris, London, Berlin, Hamburg, Moskau, Reikjawik…. .
Morsezeichen von fernen Schiffen.
Funkten sie etwa den Notruf dididi dadada dididi: Save ouer souls?

Plötzlich eine laute Männerstimme die in tempramentvollen Timbre italienisch sprach, gefolgt von lauter Schlagermusik.

Und dann: Eine sonore sehr bestimmte Frauenstimme:
zwo,neun, sieben, null, zwo, zwo….
Stundenlang hörte er zu.
Das waren die Gemeinagenten aus der Ostzone. So sendeten sie Ihre geheimen Botschaften von West nach Ost, bekamen neue Befehle.
Wie spannend wie abenteuerlich.

Dazu dann das magische Auge des Radiogeräts links oben auf der stoffbezogenen Lautsprecherblende. Hübsch eingerahmt in einem goldenen Rahmen die in der Mitte waagrechte kleine Blitze aufwies.
Dort glühte es geheimnisvoll in einem grünlichen Türkis.
Wählte man einen anderen Sender, breitete sich das Türkis aus, wurde intensiver und zog eine fächerförmige Bahn bis sich die beiden Fächer in der waagrechten zusammenschlossen. …
Wird fortgesetzt……..

Links:

Die Donauschwaben

Donauschwäbische Dialekte

Donauschwäbische Küche

Goethes Faust: Letzte Worte

Demokratiemüde? Populisten hinterherlaufen? PolitikerInnen Bashing?

Nicht mit mir!

Empfehle mal den Faust zu lesen und sich nicht auf Halbwahrheiten, Fake News zu hören.

Dummes Geschwätz auf Stammtisch Niveau hilft auch nicht weiter.

….. „Das ist der Weisheit letzter Schluß:

Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß.

Und so verbringt, umrungen von Gefahr, Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.

Solch ein Gewimmel möcht ich sehn. Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.

Zum Augenblicke dürft ich sagen: Verweile doch, du bist so schön !

Es kann die Spur von meinen Erdetagen nicht in Äonen untergehn.
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück, Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.“

Goethe Faust

Frühlingserwachen?

Der Frühling kommt

Der Frühling kommt was bringt er dir
Sonne die Du meidest

Helligkeit die Unruh schafft
Weil außen bunt und innen grau und fad und alt

Licht das den Schmutz der Ecken lüftet
Es zeigt den Restedreck aus all den Jahren

Der angesammelt sich als Lebenskehricht

Vogelzwitschern laut und schrill

Farbe deren Pracht so schnell
verschwindt und Wärme die zur Schwüle neigt

Aufbruch die Gewohnheit raubt
doch eigentlich sich alles immer gleicht

Seelenschmerz weil Neues trügt

Alle lieben diese Zeit von Anbeginn
Er nicht, ist wohl ein rechter Sonderling

Eine kleine Vogelkunde

Die Krähe

Einsamkeit wer bist du denn? Bist du wie eine Krähe, die an einem grauen Abend im November das Gebüsch verlässt,auf den sie spähend ruhte und nur noch Leere hinterlässt?


Der Bussard

Freiheit wer bist Du denn?

Bist du der Bussard der
auf hohem Ansitz ruht,
reglos sitzt und lugt.

Im nächsten Augenblicke
schwingst du dich auf,
du stürzt herab,
breitest deine Schwingen aus,
der Wind der fängt dich auf.

Und scheinbar ohne Mühe gleitetst du ein Stück, schraubst dich langsam hoch
in einen Himmel der nichts ist
als blaues helles Strahlen.

Dort ohne Mühe bist du frei.

Von allem frei und weißt dich doch geborgen.
In diesem Ozean der Lüfte.

Die wiegen sanft
und dennoch heben sie
dich hoch und immer höher.

Was eine wahre Lust zu leben.

Ja, ich liebe dieses Land!

Frei nach Kurt Tucholsky

»Ja, ich liebe dieses Land. Und nun will ich euch mal etwas sagen:

copyright-edgar-reitz-filmstiftung-mainz5861799013456002376.jpgEdgar Reitz: Heimat

Es ist ja nicht wahr, dass jene, die sich ›national‹ nennen und nichts sind als bürgerlich-militaristisch, dieses Land und seine Sprache für sich gepachtet haben.

Weder der Regierungsvertreter im Gehrock, noch der Oberstudienrat, noch die Herren und Damen des Stahlhelms allein sind Deutschland.

Wir sind auch noch da.

Sie reißen den Mund auf und rufen: ›Im Namen Deutschlands …!‹

Sie rufen: ›Wir lieben dieses Land, nur wir lieben es.‹

Es ist nicht wahr. […] Und so widerwärtig mir jene sind, die – umgekehrte Nationalisten – nun überhaupt nichts mehr Gutes an diesem Lande lassen, kein gutes Haar, keinen Wald, keinen Himmel, keine Welle – so scharf verwahren wir uns dagegen, nun etwa ins Vaterländische umzufallen.

Wir pfeifen auf die Fahnen – aber wir lieben dieses Land.

Und so wie die nationalen Verbände über die Wege trommeln – mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir, wir, die wir hier geboren sind, wir, die wir besser Deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel – mit genau demselben Recht nehmen wir Fluss und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Lichtung und Wiese: es ist unser Land.

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Wi haben das Recht, Deutschland zu hassen – weil wir es lieben. Man hat uns zu berücksichtigen, wenn man von Deutschland spricht, uns:

Kommunisten, junge Sozialisten, Pazifisten, Freiheitliebende aller Grade; man hat uns mitzudenken, wenn ›Deutschland‹ gedacht wird … „