Meine Erzählung betrachtet die vergangen 60 Jahre, vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Zeitenwende, angefangen in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis in die Gegenwart, begleitet von autobiographischen Ereignissen und Erlebnissen.
Dabei lege ich auf bestimmte Formen des Erzählens wert. Das ist mir wichtig.
Ich schreibe mit eigenen lyrischen, satirischen, und gesellschaftskritischen Texten, gelegentlich auch vor dem Hintergrund von theologischen und auch psychoanalytischen Deutungen. Zitate sind immer besonders gekennzeichnet.
Landschaften, Architektur sowie die Sinneseindrücke der Jahreszeiten spielen bei mir eine bedeutende Rolle. Der Herbst und vor allem der Winter kommen dabei besondere oft zur Geltung. Die meisten meiner Erzählungen spielen in dieser Zeit.
Am wichtigsten aber ist mir der Geruchssinn, sagt er doch über das eigentliche Sosein oft mehr aus alle übrigen Sinne.
Viele Geschichten und Gedichte vermitteln ein graues, düsteres Bild. Auch das geschieht nicht ohne Grund.
Sagt man doch, ein Mensch der schreibt könne eigentlich nur jenes gut zu Papier bringen, was er fühlt, denkt und empfindet. Dem bin ich beim Schreiben nachgekommen. Hier ein Beispiel:
Wer einen unbeschwerten, leichtfüßigen ungezwungenen Lesestoff sucht, ist hier wahrscheinlich nicht an der richtigen Stelle.
Meine Texte mögen gelegentlich recht eigenartig und sperrig erscheinen. Nicht selten bediene ich mich satzweise dem mittelhessischen Dialekt meiner Heimat. Das mag den Leser gelegentlich kryptisch erscheinen.
Ich tue dies jedoch mit voller Absicht, auch um manche Eigenartigkeiten der Menschen dieses Landstriches literarisch zu fassen.
Meine Geschichten variieren das Thema Heimat in vielfältiger Weise.
Ein großes Vorbild ist mir dabei der Schöpfer des Film-Epos „Heimat“, Edgar Reitz geworden.
Es ist Dezember, kurz vor Weihnachten. Die Verwandtschaft trifft sich zur Geburtstagsfeier. Die Vorbereitungen zu solch einem Ereignis sind umfänglich. Ein willkommenes Ereignis in einer dörflichen Umgebung. Ein nachmittägliches üppiges Kuchenbuffet ist obligatorisch. Buttercremetorten, Sahnetorten in beachtlicher Höhe werden hergestellt. Der Stolz für jede Hausfrau. Er erinnert sich an ein hämmerndes, sägendes Geräusch zu früher Morgenstunden, welches ihn weckte. Hervorgerufen durch den Handmixer der wohl starken Kontakt zur Rührschüssel hatte. Dazu der Geruch von Sahne, Vanille, und heiß gelaufenem Elektromotor. Noch verschlafen und im Pyjama stieg er die Treppen hinunter, öffnete die Küchentür. „Zieh dich erst Mal an.“ sagte Großmutter. Mutter und Tante nickten beifällig ohne die Arbeit zu unterbrechen. Großvater saß im Sessel und rasierte sich ebenfalls elektrisch. Das ergab ein unnachahmlichen Geräuschkonzert, das Ihn noch Jahrzehnte an die Weihnachtszeit erinnerte.
Abends dann ein deftiges Geburtstagsessen. Der Höhepunkt einer jeden Familienfeier. Kartoffelsalat, Nudelsalat immer. Bratwürste und heiße Fleischwurst ebenfalls. Das Highlight aber immer Pumpernickel dick mit Margarine bestrichen und mit Scheiblettenkäse belegt, mindestens in drei Schichten. Das ganze in längliche kleine Quadrate geschnitten und nach dem Essen zum Bier oder zum Wein gereicht.
Der Wein eine wirklich süße Plörre, Marke Himmlisch Moseltröpfchen oder Kröver Nacktarsch. Zum Schluss noch, vor allem zur Weihnachtszeit, selbstgemachte Plätzchen aller Art die himmlische nach Butter, Vanille und Nüssen schmeckten.
Dergestalt gesättigt folgte auch er den Gesprächen der Gäste. Für die Frauen ganz typisch, eigene Krankheiten die der Nachbarn und Bekannten. Die schulischen Leistungen der Kinder, in Frühling dann der Zustand des eigenen Gemüsegartens. Und schließlich, in aller Ausführlichkeit, Dorfklatsch jeglicher Art.
Bei Männern hingegen war deren Mitteilungsbedürfnis eher übersichtlich. Bei den Alten wars der Krieg und Ihre Arbeit im benachbarten Siegerland als Maurer. Noch viele Jahre später glaubte er tatsächlich, das alle arbeitsfähigen Männer Maurer waren und im Siegerland arbeiteten.
Oft später dann, das Essen war schon im Gange kam, nun nennen wir Ihn Ottmar R.i.p Er betrat das Wohnzimmer, ihm war anzumerken, dass im solche öffentlichen Auftritte deutlich überforderten und sagte: Nichts. Was niemanden wunderte. „Ottmar willst du noch Kuchen?“ „Das fehlt noch!“ sagte er.
Er schaute sich um und setzte sich dahin wo noch Platz war. Frauen reichten Ihm Teller und Besteck und rückten Ihm die deftigen Speisen zurecht. „Lass es Dir schmecken!“ Ottmar delektierte sich bereits, nickte nur und öffnete die bereitstehenden Bierflasche. All das geschah ganz beifällig, niemand nahm Notiz davon. Einige Flaschen Bier später wurde Ottmar redseliger.
Sein Blick hellte sich dann deutlich auf und bekam dann bald etwas wehmütiges und verschämtes.
Er habe mal bald nach dem Kriege ein Flüchtlingsmädchen gekannt. Sie sei schlank gewesen. Dunkle Haare, ein Lockenkopf. Immer unternehmungslustig zu Späßen und Streichen aufgelegt. Eine gute Tänzerin.
Man nannte sie „Rasselchen.“ Alle jungen Männer seien hinter ihr her gewesen. Sie wäre dann aber von einem Katholiken weggeschnappt worden. „Von einem Sudetengauner!“ wie er sagte. Das dieses junge Mädchen wohl die Liebe seines Lebens gewesen ist erwähnte er mit keinem Wort.
Ottmar ist ledig geblieben. Wohnt mit seiner Schwester zusammen, die ihn versorgt.
Im Ruhrpott. Ein Wohnhaus, gekauft, renoviert, neu ausgestattet als Heim umgebaut. In einem kleinbürgerlich geprägten Stadtteil. Viele alte Leute, die Vorgärten, peinlich akkurat, der Rasen bis zu seinen Wurzeln gestutzt. Gänseblümchen haben keine Chance. Erst recht nicht, im Frühling die Pusteblumen mir ihrem bezaubernden Gelb. Keine Chance. Ausgerottet vor Beginn der Blüte. Die tiefen Wurzeln ausgegraben, unbarmherzig herausgerissen. Dafür Steingärten, bepflanzt mit Exoten und industriefesten Bodendeckern. Insekten ohne Chancen, ebensowenig wie Singvögel, bis auf den klugen Sperling, der gelernt hat sich mit dieser Ödnis abzufinden.
Die Hecken, ebenfalls Exoten, Thuja und so. Peinlich genau gestutzt, mit dem Zollstock nachgemessen. Tannen in Bonsai Format. Bloß kein Laub. Das stört diese spiesige, bornierte, patriarchale Welt. Was ihm bereits zum ersten mal auffiel.
Es roch: Nach nichts. Näherte man sich den Haustüren ahnte man: Waschpulver- Spülmittel- Kloreinigerduft. Vorwiegend wohnten hier alte Menschen. Witwen, Witwer, Ehepaare die in die Jahre gekommen waren.
Es ist Winter, kurz vor Weihnachten. Wie Watte legen sich große Schneeflocken auf Wiesen und Wälder. Dicke große Flocken fallen von aschgrauen Himmel. Immer noch, obwohl doch schon in die Jahre gekommen, erliegt er dem Zauber des Winters. Seinen Lichtstimmungen, der allmählichen Veränderungen der Landschaft, die vorher grau und trist, dann aber in einem reinen Weiß unberührt erscheinen, so als ob all das was vorher war an Mühen und Plagen nie geschehen wäre.
Der Lärm, die Geräusche verstummen nun fast. Alles wird leiser, verschluckt durch den fallenden Schnee.
Das Heim ist nur über eine Türschelle mit Türöffner zu betreten. Menschen die hier wohnen sollen sich nicht gefährden, keinen anderen gefährden. Deswegen diese geschlossene Gesellschaft.
Ob dieser Umstand für die betroffenen Menschen immer zu Guten gereichte sei dahingestellt. Beim betreten des Konferenzraumes, er war in Begleitung der Wichtelprinzessin, erneut dieses Phänomen.
Wichtelprinzessin
Es roch: Schon wieder, nach nichts! Weder im Raum, noch im Flur, der zur Toilette führte, noch in der Toilette selbst, keine Gerüche. Irritation, Verwirrung, Angst überflutete ihn. Eine Gänsehaut machte sich bemerkbar, er begann zu schwitzen. Winzige Schweißperlen sammelten sich auf der Oberlippe.
Jahrelange Erfahrung hatten ihm gelehrt. Da wo nichts zu riechen ist, da ist auch nichts. Ist es möglich anzunehmen, das nichts existiert, erst wird wenn wir es denken? Es erst in dem Augenblick zu existieren beginnt, wenn er es denken kann? Später dann suchte er Hilfe aus diesem gedanklichen Dillema und entdeckte Decartes:
„In dem wir so alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen und für falsch gelten lassen, können wir leicht annehmen, dass es keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper gibt; dass wir selbst weder Hände noch Füße, überhaupt keinen Körper haben.“
Also auch nicht riechen können.
„Ego cogito ergo sum. Aber wir können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts sind; denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe. Deshalb ist die Erkenntnis: »Ich denke, also bin ich,« (lateinisch: ego cogito, ergo sum) von allen die erste und gewisseste, welche bei einem ordnungsmäßigen Philosophieren hervortritt.“
Für Ihn hieße das also: „Zwar riecht es, aber Du riechst es eben nicht.“ Daraus könnte er den Schluß ziehen: „Du hast ein psychosomatisches Problem. Du riechst nichts, weil du nichts riechen willst. Du sperrst dich innerlich, du willst mit dieser Zusammenkunft nichts zu tun haben. Du lehnst eigentlich alles ab, was du vorfindest.“ Das Gebäude, der liebevoll, adventlich gestalteten Wichteltisch, den nun allmählich beginnenden Smalltalk. „Du kannst und willst es nicht mehr riechen. Dir eckelt, obwohl du nichts riechst. Du hast Angst, Panik, du willst nur noch eines: Wegrennen.“
Alle sind da: Frau Mi, die Wichtelkönigin, die Wichtelprinzessin Fr. Bri, die Ihr nachfolgend wollte, weitere weibliche Führungskräfte und jene die sich dafür hielten. Zwei Männer sind auch dabei.
Schrottwichtel
Der Kamerad Hirsch dem er zugeneigt war und er selbst.
Er schrieb vorzeiten ein Gedicht. Schon eine Weile her. Heutzutage nicht mehr ganz Zeitgeist konform. Aus seiner Sicht an dieser Stelle recht passend. Vor allem dann, wenn man den zu Beginn unausweichlichen Smalltalk betrachtet, den er, als Sproß einer Handwerker- und Bauernfamilie, mit Dialekt aufgewachsen, eh nur sehr schlecht beherrschte.
Bunte Runde Bunte Runde laut und schrill Leiber duftend Haare schillernd Augen voller Anmut strahlen Münder von Verlockung künden Reden denkend ständig Künden süß fast nur Banales Er fällst drauf rein und hörst‘s voll Lust Doch steckt dahinter oft Berechnung. Hör näher hin lass dich nicht blenden Auch Gift und Galle sind oft süß Merk auf mein Freund, schmeckst nur Glasur; und innen wird es bitter. Duften, lockend Augen strahlend. Haut wie Alabaster schimmert Münder schwellen sanft Merk auf mein Freund Halt dich zurück Denn manchmal wird es bitter Merk auf meine Freund: Du bist es selbst. Gib acht.
Die geneigte, vor allem weibliche Leserschaft, möge Ihm verzeihen.
Nun zur Hauptperson, der Wichtelkönigin. Sie war eine beeindruckende Persönlichkeit. Von kleiner Statur, kugelrund, wirrer Haarschopf, oft knallrot gefärbt. Ein wenig wie Pumuckl.
Kleine lustige eisgraugrüne Augen die zunächst fröhlich und listig blickten. Auf den zweiten Blick dann, war eine anderer Charakter zu erkennen.
Die Wichtelkönigin
Kalt, berechnend, hinterhältig mit einem Hang zur Grausamkeit. Sehr merkwürdig. Zwei unterschiedliche, nachgerade, zwiespältige spannungsgeladene charakterliche Eigenschaften vereint bei einer Person.
Die Wichtelkönigin, war eindeutig die informelle Chefin der Runde. Berücksichtigt er, mit aller Vorsicht, das psychoanalytische Theorem der Persönlichkeitszuordnung des genialen Psychoanalytikers Fritz Riemann aus seinen Standardwerk „Grundformen der Angst“, so ist zur Erläuterung zunächst einmal folgendes zu berichten:
Grundformen der Angst ist eine tiefenpsychologische Studie des Psychoanalytikers Fritz Riemann, die erstmals im Jahr 1961 unter dem Titel Grundformen der Angst und die Antinomien des Lebens erschien. In dem Werk werden vier verschiedene Typen der Persönlichkeit charakterisiert und ihre jeweiligen Ängste und Verhaltensweisen sowie deren Ursachen thematisiert. Riemann unterscheidet schizoide, depressive, zwanghafte und hysterische Strukturen der Persönlichkeit. Wagt man, nach Fritz Riemann eine Einordnung der Persönlichkeit unserer Wichtelkönigin wäre es wert über folgendes nachzudenken:
Wie die Herkunft des Wortes schizoid schon sagt, das altgriechische Wort sch´ızein heißt auf deutsch ’spalten‘, ist das Sozialverhalten des schizoiden Typus’ (S-Typ) von einer Kontaktlücke, einem abgespalten-Sein von und eine Distanz zu Beziehungspartnern und dem sozialen Kollektiv gekennzeichnet. Der S-Typ legt Wert auf die Unterscheidung von anderen, auf seine Unverwechselbarkeit, Unaustauschbarkeit, Einmaligkeit und Individualität, er strebt Autarkie und Unabhängigkeit an, will auf niemanden angewiesen sein und niemanden brauchen, keine Pflichten gegenüber anderen haben.
Oder mal ein Erklärungsversuche mit Hilfe einer astronomischen Denkfigur. Den schizoiden Charakter kann man sich als eine Sonne vorstellen. Er steht im Mittelpunkt eines Systems. Er ist sich dessen in bestimmten Fällen sehr bewusst. Er strebt danach, will Einfluss, will Macht, will in diesem Sinne steuern. Das soll aber nicht sichtbar sein, macht ihm Angst. Aus der Ferne Menschen zu steuern, zu beeinflussen, zu manipulieren, ohne direkt in Erscheinung zu treten. Dafür steht er als Fixstern im Mittelpunkt. Der Depressive, liebt es, gleich wie Satelit um eine Idee, um eine Person zu kreisen. Sich ganz hinzugeben, für eine Idee und deren Inkarnation zu leben. Selbstaufgabe ist dabei folgerichtig, ja notwendig. Er weicht dann ganz von sich selbst ab, vergisst sich, achtet nicht mehr auf sich.
Mit fatalen Folgen. Er rückte zeitweise näher an die betreffende Person heran. Das war praktisch, könnte er doch eigene berufliche Ziele schneller vorstellen und mitunter auch durchsetzen.
Der schizoide Charakter fühlt sich dann bedroht, will er diese Nähe doch eigentlich nicht. Er fühlt sich von soviel Nähe bedroht. Er rückt deutlich ab. Gelingt das nicht, hat er lediglich noch eine Möglichkeit. Er betont seine Unabhängigkeit, distanziert sich deutlich. Nutzt das nichts, reagiert er voller Panik, Vernichtungsphantasien machen sich breit. Jedes Mittel ist dann Recht.
Wenn sich schizoide und depressive Partner anziehen, dann ahnt möglicherweise der Schizoide instinktiv die Liebesbereitschaft und Liebesfähigkeit des Depressiven, seine Opferbereitschaft, sein einfühlendes ich-Bemühen. Hier kann er sich aufgehoben fühlen.
Andererseits fasziniert den Depressiven am Schizoiden, daß dieser etwas lebt, was er sich nicht zu leben gewagt hat: unabhängiges Individuum zu sein, ohne Verlustangst und Schuldgefühle. Zugleich spürt er, daß hier jemand ist, der seine Liebesbereitschaft dringend braucht. Eine solche Konstellation kann gelingen aber auch in die Katastrophe führen, denn wenn sich der Schizoide zu sehr eingeengt fühlt, wird er sich zu lösen versuchen, was dazu führt, daß der Depressive sich vernachlässigt fühlend näher an den Schizoiden herankommen möchte. So entsteht ein Prozess der sich gegenseitig verstärkt und aufschaukelt. So auch hier. Da trafen sich zwei Charaktere die unterschiedlicher nicht sein konnten.
Mit Folgen die Beide betrafen, aber zunächst lediglich von der einen Seite wahrzunehmen war.
Zum einen Ihre schwere Adipositas Erkrankung die sich immer mehr ausprägte. Zum anderen, was Ihr enorme Kräfte abforderte, die Konstruktion von erdachten, Ihr zum Machterhalt dienenden zwischenmenschlichen Beziehungen und Situationen. Ein bestes Beispiel dafür war war das alljährliche Weihnachtswichteln.
Sie baute, mit unserer Hilfe ein Szenarios absoluter vorweihnachtlicher Harmonie, Friedfertigkeit und Geborgenheit für Alle auf. Täuschend echt.
Ihre eigentlichen Absichten, nämlich Ihren kalten Machtanspruch zu zementieren und auszubauen wurden dadurch verwischt. Das war der eigentliche Sinn dieser von Grund auf verlogenen Veranstaltung. Wir alle, vor allem aber die Bedauernswerte Frau M. jene Person, die allmählich innerlich ertrank, nahmen dankbar an und fielen darauf rein.
Friede, Freude Eierkuchen vor Weihnachten, das musste sein. Ein jährlich sich wiederholendes Ritual.
Nun wurde ihm klar. Hier war nichts zu riechen. Zu riechen ist nur daß was wirklich existiert um so seinen Duft zu verbreiten. Der Duft, der typische Geruch eines Gegenstandes, einer Situation die sich ergibt, nur der gibt verlässliche Auskunft über das was wirklich existiert. Riecht es nicht, existiert es auch nichts, ist falsch, unecht, verlogen, konstruiert.
Philosophisch im Existenzialismus betrachtet:
„Der Existenzialismus erlaubt die Vorstellung des Nichts und seine Erfahrung in der Angst überhaupt erst eine Ahnung des Seins zu haben.“
Für Dichter und Philosophen wie Jean-Paul Sartre (1905–1980) und Albert Camus (1913–1960) ist das Nichts das, woraus menschliches Dasein (Für-sich-sein) erwächst und menschliche Freiheit erst möglich wird.“ Quelle: Jura Forum
Dieser kurze Ausflug in die Philosophie mag genügen um sein: „Ich rieche hier nichts“ zu deuten.
Einer soll nicht vergessen werden. Kamerad Hirsch. In dieser Runde ein Lichtblick. Er, geprägt von einen tiefen herzlichen Sympathie für die Menschen mit Einschränkungen. Hirsch ließ sich auf eine kluge Art und Weise nicht auf die Ränkeschmiede dieser von Grund auf unehrlichen Runde nicht ein. Er folgte diesem Spiel nur dann, wenn es unbedingt erforderlich war, um sich zu schützen. Ansonsten machte er, im Windschatten dieses aufgebrachten Geweses, sein Ding. Er lachte viel, trieb seine Scherze ob dieser Zustände, aber nie so, daß er in Gefahr damit geriet. Ein guter Kamerad Ehrlich, kein bisschen arrogant, Machtspielchen verachtete er. Danke Kamerad Hirsch, für die schöne Zeit mit Dir, trotz aller erduldeten Unwahrheiten, Intrigen und Schmähungen.
Im Talmud, dem Buch, das den jüdischen Glauben mit dem konkreten Leben verbindet, ist es wunderbar formuliert:
“Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein und unser Schicksal“
Ein Schüler fragte den Baalschem:„Wie geht das zu, daß einer, der an Gott hangt und sich ihm nah weiß, zuweilen eine Unterbrechung und Entfernung erfährt?“Der Baalschem erklärte: „Wenn ein Vater seinen kleinen Sohn will gehen lernen, stellt er ihn erst vor sich hin und hält die eignen Hände zu beiden Seiten ihm nah, daß er nicht falle, und so geht der Knabe zwischen den Vaterhänden auf den Vater zu. Sowie er aber zum Vater herankommt, rückt der um ein weniges ab und hält die Hände weiter auseinander, und so fort, daß das Kind gehen lerne.“
Wahrheit:
Was bedeutet das, was die Leute sagen: „Die Wahrheit geht über die ganze Welt“Es bedeutet, daß sie von Ort zu Ort verstoßen wird und weiterwandern muß.(Rabbi Baruch)
Leib und Seele:
Als Rabbi Schmelke von seiner ersten Reise zum Maggid heimkehrte und man ihn fragte, was er erfahren habe, antwortete er:„Bis nun hatte ich meinen Leib kasteit, daß er die Seele ertragen könne. Jetzt aber habe ich gesehen und gelernt, daß die Seele den Leib ertragen kann und sich von ihm nicht abzuscheiden braucht. Das ist es, was uns in der heiligen Thora zugesprochen ist: ‚Ich will meine Wohnung in eurer Mitte geben, und meine Seele wird euch nicht verschmähen.‘ Denn nicht soll die Seele ihren Leib verschmähen.“
Die Lehre der Seele:
Rabbi Pinchas führte oftmals das Wort an: „Die Seele des Menschen wird ihn belehren“, und bekräftigte es: „Es gibt keinen Menschen, den die Seele nicht unablässig belehrte.“Einst fragten die Schüler: „Wenn dem so ist, warum hört der Mensch nicht auf sie?“„Unablässig lehrt die Seele,“ beschied sie Rabbi Pinchas, aber sie wiederholt nicht.“
Etwas Großes tun:
Wenn ein Mensch etwas Großes in Wahrheit zu tun beginnt, braucht er nicht zu fürchten, daß ein anderer es ihm nachtun könnte. Wenn er es aber nicht in Wahrheit tut, sondern darauf sinnt, es so zu tun, daß keiner es ihm nachtun könnte, dann bringt er das Große auf die niederste Stufe herab, und alle können dasselbe tun. (Rabbi Pinchas)
Der Eilige:
Der Berditschewer sah einen auf der Straße eilen, ohne rechts und links zu schauen. „Warum rennst du so?“ fragte er ihn.„Ich gehe meinem Erwerb nach,“ antwortete der Mann.„Und woher weißt du,“ fuhr der Rabbi fort zu fragen, „dein Erwerb laufe vor dir her, daß du ihm nachjagen mußt? Vielleicht ist er dir im Rücken, und du brauchst nur innezuhalten, um ihm zu begegnen, du aber fliehst vor Ihm
Triebe „brechen“:
Ein junger Mann gab dem Riziner einen Bittzettel, darauf stand, Gott möge ihm beistehn, damit es ihm gelinge, die bösen Triebe zu brechen.Der Rabbi sah ihn lachend an: „Triebe willst du brechen? Rücken und Lenden wirst du brechen, und einen Trieb wirst du nicht brechen. Aber bete, lerne, arbeite im Ernst, dann wird das Böse an deinen Trieben von selber verschwinden.“
In der Hölle:
Der Apter sprach zu Gott: „Herr der Welt, mir ist bewußt, daß ich keinerlei Tugend und Verdienst habe, um derentwillen du mich nach meinem Tode ins Paradies unter die Gerechten versetzen könntest. Aber willst du mich etwa in die Hölle in die Mitte der Bösewichter setzen, so weißt du doch, daß ich mich mit ihnen nicht vertragen kann. Darum bitte ich dich, führe alle Bösen aus der Hölle, dann kannst du mich hineinbringen.“
Gib und nimm:
Die Losung des Lebens ist: „Gib und nimm.“Jeder Mensch soll ein Spender und Empfänger sein.Wer nicht beides in einem ist, der ist ein unfruchtbarer Baum.(Rabbi Jizchak Eisik)
Götzenopfer:
Man fragte Rabbi Bunam: „Was ist mitGötzenopfergemeint? Es ist doch ganz undenkbar, daß ein Mensch einem Götzen Opfer darbringt!“Er sagte: „So will ich euch ein Beispiel geben. Wenn ein frommer und gerechter Mann mit andern bei Tisch sitzt und würde gern noch etwas mehr essen, aber seines Ansehns bei den Leuten wegen verzichtet er darauf, das ist Götzenopfer.“
Die große Schuld:
Die große Schuld des Menschen sind nicht die Sünden, die er begeht – die Versuchung ist mächtig und seine Kraft gering! Die große Schuld des Menschen ist, daß er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und nicht tut.
Die kommende Welt:
Einmal war der Sinn des Baalschem so gesunken, daß ihm schien, er könne keinen Anteil an der kommenden Welt haben. Da sprach er zu sich: „Wenn ich Gott liebe, was brauche ich da eine kommende Welt?“
Wo wohnt Gott:
Mit dieser Frage überraschte der Kosker einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren. Sie lachten über ihn: „Wie redet ihr! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll!“Er aber beantwortete die eigene Frage: „Gott wohnt, wo man ihn einläßt“
Im Chassidismus lässt sich der Gedanke der Demokratie in geistiger und ökonomischer Hinsicht feststellen.
Es entstehen hier nicht übersteigerter Intellekt und Wertung eines Juden nach seiner Gelehrsamkeit im Vordergrund wie im Rabbinismus, sondern man setzt hier prinzipiell auf das jedem zugängliche religiöse Gefühl und die Intention (Kawwana).
Der radikale gesellschaftliche Demokratismus zeigte sich bei den ersten Führern, den Zaddikim. Rabbi Israel Baal-schem tov (ca. 1700 -1760) war der Schöpfer der Bewegung und widmete sich mit Vorliebe Ungebildeten und Armen aus dem Volk. Damit schuf er sich den Weg zum Herzen des Volkes. Er passte seine Sprache und sein Lebensgefühl ihren Neigungen an. Die Nächstenliebe zum Volk stand im Vordergrund.
Der Zaddik (einer der Gerechten) repräsentierte den Typus des autonomen Führers und entspricht so dem Charakter des Chassidismus als einer autonomen Gemeinschaftsbildung. Er wird aufgrund seiner Begabung zum Führer und ist das Gegenteil eines falschen Messias. Dieser will die Erlösung jedes einzelnen selbst vollziehen.
Wir stellen klar: Wer Jüdinnen und Juden und jüdisches Leben in Deutschland – in welcher Form auch immer – angreift, der greift die Grundlagen unserer Gesellschaft an, der tritt die Menschenwürde und Grundrechte aller mit Füße #chaimguski
Text:
In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad Mein’ Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. Sie hat mir Treu versprochen, Gab mir ein’n Ring dabei, Sie hat die Treu’ gebrochen, Mein Ringlein sprang entzwei.
Ich möcht’ als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen, Und geh’n von Haus zu Haus.
…………. Hör’ ich das Mühlrad gehen: Ich weiß nicht, was ich will — Ich möcht’ am liebsten sterben, Da wär’s auf einmal still![9]
»Ja, ich liebe dieses Land. Und nun will ich euch mal etwas sagen:
Edgar Reitz: Heimat
Es ist ja nicht wahr, dass jene, die sich ›national‹ nennen und nichts sind als bürgerlich-militaristisch, dieses Land und seine Sprache für sich gepachtet haben.
Weder der Regierungsvertreter im Gehrock, noch der Oberstudienrat, noch die Herren und Damen des Stahlhelms allein sind Deutschland.
Wir sind auch noch da.
Sie reißen den Mund auf und rufen: ›Im Namen Deutschlands …!‹
Sie rufen: ›Wir lieben dieses Land, nur wir lieben es.‹
Es ist nicht wahr. […] Und so widerwärtig mir jene sind, die – umgekehrte Nationalisten – nun überhaupt nichts mehr Gutes an diesem Lande lassen, kein gutes Haar, keinen Wald, keinen Himmel, keine Welle – so scharf verwahren wir uns dagegen, nun etwa ins Vaterländische umzufallen.
Wir pfeifen auf die Fahnen – aber wir lieben dieses Land.
Und so wie die nationalen Verbände über die Wege trommeln – mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir, wir, die wir hier geboren sind, wir, die wir besser Deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel – mit genau demselben Recht nehmen wir Fluss und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Lichtung und Wiese: es ist unser Land.
Wi haben das Recht, Deutschland zu hassen – weil wir es lieben. Man hat uns zu berücksichtigen, wenn man von Deutschland spricht, uns:
Kommunisten, junge Sozialisten, Pazifisten, Freiheitliebende aller Grade; man hat uns mitzudenken, wenn ›Deutschland‹ gedacht wird … „
Rilke und das Thema Inklusion? Wie weit ist das denn hergeholt? Idealistische Spinnerei? Bildungsbürgerliche Gedankenverrenkung von spinnerten Erziehungswissenschaftlern, Sonderpädagogen und Sozialarbeitern? Braucht die „Behindertenhilfe ein neues Narrativ?
Neugierig geworden? Lesen Sie bitte meinen nachfolgenden Blogbeitrag:
1. Die Teilhabe an allen Bereichen unserer Gesellschaft ein wesentlicher Ausdruck von Inklusion.
2. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So steht es in Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Gleichbehandlung und die Förderung von Chancengleichheit als eine Voraussetzung für Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen stehen deshalb im Zentrum der Behindertenpolitik der Bundesregierung.
3. Die Vorschrift bindet als individuelles Grundrecht Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung unmittelbar, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Ländern und Gemeinden sowie sonstigen Institutionen und Organisationen der „öffentlichen Gewalt“. Auf Rechtsbeziehungen zwischen Privaten wirkt das Benachteiligungsverbot mittelbar, indem es bei der Auslegung und Anwendung bürgerlichen Rechts berücksichtigt werden muss.
4. Mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGBIX, 2001) und dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, 2002) wurden grundlegende gesetzliche Voraussetzungen zur Umsetzung des Benachteiligungsverbots des Grundgesetzes und für eine verbesserte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geschaffen. Im SGB IX wurde das zersplitterte Recht zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen sowie das Schwerbehindertenrecht zusammengefasst und weiterentwickelt. Dabei trägt das SGB IX dem Grundsatz des selbstbestimmten Lebens und der Eigenverantwortlichkeit behinderter Menschen Rechnung und löste das bisher an Fürsorge und Versorgung behinderter Menschen orientierte Prinzip ab. Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz wird das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes umgesetzt: Das BGG regelt Barrierefreiheit in einem umfassenden Sinn und erkennt die Deutsche Gebärdensprache, die lautsprachbegleitenden Gebärden an sowie das Recht, diese und andere geeignete Kommunikationsformen zu verwenden.
5. Der Paradigmenwechsel, der in der Behindertenpolitik in Deutschland insbesondere mit dem SGB IX und dem BGG eingeleitet wurde, wurde mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fortgesetzt. Das SGB IX bietet bereits einen weitgehenden Schutz für schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben, das AGG weitet diesen Schutz jetzt auf alle Menschen mit Behinderung aus. Er erstreckt sich auf alle Bereiche des Arbeitslebens. Dieser Schutz reicht von der Bewerberauswahl über den Zugang zu beruflichen Bildungschancen bis hin zu Beförderungen. Im Alltagsleben wirkt das Gesetz Diskriminierungen bei so genannten Massengeschäften – z.B. bei Kaufverträgen, Hotelbuchungen und Ähnlichem – entgegen und verbietet Benachteiligungen auch bei privaten Versicherungen.
6. Die nationale Politik der Bundesregierung findet mit dem VN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung seine Entsprechung auf internationaler Ebene. Deutschland hat das VN-Übereinkommen und das Zusatzprotokoll als einer der ersten Staaten am 30. März 2007 unterzeichnet und, nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen mit dem Ratifizierungsgesetz am 1. Januar 2009 geschaffen wurden, am 24. Februar 2009 mit Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in New York ratifiziert. Seit dem 26. März 2009 sind VN-Übereinkommen und Zusatzprotokoll für Deutschland verbindlich. Das Übereinkommen als erstes universelles Rechtsinstrument, ist auf die Lebenssituation von weltweit über 600 Millionen behinderten Bürgerinnen und Bürgern zugeschnitten, es definiert soziale Standards, an denen die Vertragsstaaten ihr politisches Handeln zukünftig messen lassen müssen. Ein gesellschaftlicher Wandel ist damit vorgezeichnet. Dieser Wandel ist von klaren Zielen bestimmt: Dabei geht es um Teilhabe, Selbstbestimmung und uneingeschränkte Gleichstellung. Es geht um das Ziel, alle Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen führen zu können. Und es geht um Politik, die die berechtigten Ansprüche und die Rechte der behinderten Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt.
6. Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkretisiert die allgemeinen Menschenrechte aus der Perspektive der Menschen mit Behinderungen und vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Lebenslagen, die im Menschenrechtsschutz systematische Beachtung finden müssen. Damit stellt das Übereinkommen einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Rechte behinderter Menschen weltweit dar. Es würdigt Behinderung als Teil der Vielfalt menschlichen Lebens und überwindet damit das noch in vielen Ländern nicht mehr zeitgemäße Prinzip der Fürsorge. Das Übereinkommen und sein Fakultativprotokoll sind für Deutschland seit 26. März 2009 verbindlich.
7. Zur konkreten Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan erarbeitet, der die Ziele und Maßnahmen der Bundesregierung in einer Gesamtstrategie für die nächsten zehn Jahre zusammenfasst. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen, Chancengleichheit in der Bildung und in der Arbeitswelt herzustellen und allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit auf einen selbstbestimmten Platz in einer barrierefreien Gesellschaft zu geben. Bei der Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans hat die Bundesregierung großen Wert darauf gelegt, die Zivilgesellschaft – insbesondere behinderte Bürgerinnen und Bürger – einzubeziehen und ihre Visionen, Ideen und Vorschläge für Maßnahmen aufzugreifen.
8. Quo vadis Inklusion?
8.1 Braucht die „Behindertenhilfe“ ein neues Narrativ?
„Menschen lieben Geschichten – Wir hören sie an, erzählen sie selbst und erfahren dabei viel über uns, andere und die Welt, in der wir leben.
Methoden, in denen Geschichten im Mittelpunkt stehen, bieten auch für die politische Bildung und das Thema nachhaltige Entwicklung ein großes Potential.
Das Erzählen von Geschichten ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft.
Im Gegensatz zu analytisch-wissenschaftlichem Denken, das auf klar abgegrenzten Fakten beruht und zu eindeutigen Feststellungen führt, geht es beim narrativen Denken um den größeren Zusammenhang – um Kontext, Relevanz und Sinn. Beide Denkweisen bieten einen jeweils spezifischen Zugang zur Welt.
Es ist ein Wesensmerkmal unserer Kultur, dass wir dem analytisch-wissenschaftlichen Denken eine große Bedeutung zumessen.
Denn es hilft uns, die Dinge berechenbar zu machen, sie in den Griff zu bekommen. Das geht im Extrem so weit, dass nur wissenschaftlich-exaktes Wissen als wahr angesehen wird. Damit sind wir weit gekommen. Auf der anderen Seite erleben wir gerade die diffusen und vielschichtigen Angelegenheiten in unserem Leben (wie zum Beispiel die Liebe) als durchaus wahrhaftig – auch wenn sie hochgradig subjektive Erfahrungen darstellen und nicht exakt vermessbar sind. Angesichts der komplexen Struktur unserer Wirklichkeit lässt sich Exaktheit dementsprechend nur durch die Isolation des herausgegriffenen Sachverhalts erreichen. Mit dem fortschreitenden Herauslösen aus dem Kontext verringert sich aber auch der Relevanzgehalt, weil größere Beziehungs- und Bedeutungszusammenhänge verloren gehen. Um Sinn zu schaffen, brauchen wir den ’narrativen Modus‘.“ 8.2 Die Lebenshilfe Möglichkeitsdenker: Ein nachahmenswertes Beispiel narrativen nachhaltigen öffentlichen Handelns – Menschen mit Lernschwierigkeiten sind den Weg des öffentlichen Gesprächs, des konstruktiven Diskurses, gegangen.
Die Möglichkeitsdenker, bei der Lebenshilfe Lüdenscheid, sind bereits in konkreter Planung, und suchen den Weg des öffentlichen Diskurses, vor allem bei wichtigen sozialpolitischen und ethischen Themenbereichen.
Eines der drängensten Themen unserer Zeit, den konstruktiven Dialog zwischen Judentum, Christentum, Islam und Humanismus, sind im Jahre 2015 bei insgesamt 5 öffentlichen Veranstaltungen diskutiert worden.
Die Möglichkeitsdenker entwickelten sich aus verschiedenen Projekten zum freiwilligen bürgerschaftlichen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer Region, begonnen im Jahre 2006.
Dort vollzog sich auch innerhalb des praktischen sozialpädagogischen Handlungsfeldes eine eindeutige Hinwendung zur Gemeinwesenarbeit.
Gleich zu Anfang entwickelte sich ein alle zukünftigen Bemühungen zusammenfassendes Narrativ.
Es war ein Gedicht von Rainer Maria Rilke einer der bekanntesten Lyriker der Romantik nämlich: „Werkleute sind wir…“
Es handelt sich dabei, das sei an dieser Stelle erwähnt auch um eines meiner Lieblingsgedichte.
Dass ein solches Gedicht, aus der bildungsbürgerlichen Hochkultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zum vielfältig zitierten Narrativ wurde und all unsere Bemühungen und Entwicklungsschritte begleitete freut mich ganz besonders.
Wiederlegt es doch glänzend die oft geäußerte und ausgrenzende Auffassung, das solche lyrisch anspruchsvolle Texte diesem Personenkreis per se nicht zugänglich seien.
Auch aus diesem Grunde sei es auch an dieser Stelle wieder einmal zitiert:
„Werkleute sind wir………..*
Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister, und bauen dich, du hohes Mittelschiff. Und manchmal kommt ein ernster Hergereister, geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.
Wir steigen in die wiegenden Gerüste, in unsern Händen hängt der Hammer schwer, bis eine Stunde uns die Stirnen küsste, die strahlend und als ob sie Alles wüsste von dir kommt, wie der Wind vom Meer.
Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern und durch die Berge geht es Stoß um Stoß. Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los: Und deine kommenden Konturen dämmern.
Gott, du bist groß. „
*Rainer Maria Rilke, 26.9.1899, Berlin-Schmargendorf
Faust: Habe nun, acht! Philosophie, Juristerei und Medizin.
Und leider auch Theologie. Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.
Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen, mich plagen keine Skrupel noch Zweifel fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel.
Dafür ist mir auch aller Freud entrissen, bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen.
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab ich weder Gut noch Geld noch Ehr und Herrlichkeit der Welt.
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab ich mich der Magie ergeben, mir durch Geistes Kraft und Mund, nicht manch Geheimnis würde kund.
Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß.
Daß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält.
Schau alle Wirkenskraft und Samen und tu nicht mehr in Worten kramen.
Faust: „Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen, gewöhnlich aus dem Namen lesen.
Wo es sich allzu deutlich weist, wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.
Nun gut, wer bist du denn?“
Mephistopheles: „Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
Heinrich Heine
Heinrich Heine
Zunehmend erfasst mich Ratlosigkeit.
Die Ereignisse und Entwicklungen der letzten Jahre:
Die weltumspannende Globalisierung der Wirtschaft mit dem Ergebnis eines ungebremsten Kapitalismus, der rücksichtslos vorgeht und alles in Frage stellt was mir wichtig ist.
Menschen fühlen sich zunehmend orientierungslos, unbeheimatet.
Ängste machen sich breit.
Populismus bricht sich, europaweit, seine Bahn.
Die Vernunft, wichtigste Errungenschaften der Aufklärung und Ihre Leitgedanken von Freiheit, Gleichheit, und Solidarität prägen zunehmend nicht mehr den politischen Diskurs.
Stattdessen:
Populismus der dümmsten Art und Weise prägen die Verlautbarungen der AfD.
Das so viele BürgerInnen darauf hereinfallen schmerzt mich, bis hin zu körperlichem Schmerz.
Ein dumpfer unheilvoller Druck ensteht mir im Kopf, steigt hinunter über Hals und Rücken.
So als ob sich ein Migräne-Anfall ankündigen würde.
Zukunftsängste kommen auf.
Was wird einmal aus Deutschland werden? Was wird aus den Kindern und Enkelkindern werden denen wir eine weitgehend zerstörte Welt hinterlassen?
Aber genug mit dem Lamento:
Erst kürzlich bei der Lektüre des Buches: #Deutschnichtdumpf der Autorin: #TheaDorn.
Der Deutschlandfunk sendete dazu ein Radiobeitrag dem ich mich vollinhaltlich anschließen kann, aus dem ich im folgenden zitieren möchte:
„Dürfen wir unser Land lieben?“ Das fragt Thea Dorn in „deutsch, nicht dumpf“. Die Schriftstellerin und Philosophin skizziert einen Patriotismus, der die kulturelle Identität betont, ohne sich in die Nähe einer Seehoferschen „Leitkultur“ zu begeben.
Nach dem ersten Satz möchte man eigentlich gar nicht weiterlesen. „Dürfen wir unser Land lieben?
Dürfen wir es gar Heimat nennen?“
fragt Thea Dorn zu Beginn ihres neuen Buchs „deutsch, nicht dumpf“, und da es darauf nur eine vernünftige Antwort gibt – „Warum denn nicht?“ –, fürchtet man sich sofort davor, dass hinter der Frage doch wieder nur ein weiteres Mal der Popanz einer vaterlandslosen linken Meinungshegemonie aufgebaut wird, die einem diese selbstverständlichen Heimatgefühle verbietet. Doch die Furcht ist unbegründet: Entgegen ihrer im Feuilleton ausgiebig ausgelebten Neigung zu einem aufmerksamkeitsheischend zugespitzten Konservatismus hat die Schriftstellerin und Philosophin einen erstaunlich differenzierten Essay verfasst, angenehm im Ton, abwägend in den Argumenten, durchweg um die Vermittlung zwischen den politischen Lagern bemüht.
Bevor sie für einen „aufgeklärten Patriotismus“ plädiert, erörtert sie beispielsweise ausführlich die Frage, worauf sich dieser Patriotismus beziehen kann. Auf die Kultur, sagen manche. Aber kann man überhaupt von einer „deutschen Kultur“ reden, obgleich Deutschland in so viele Regionalkulturen zerfällt? Und wie ist es mit den kulturellen Erzeugnissen und Gepflogenheiten der islamischen Bürger? Gehören das Minarett und die Geschichten des Nasreddin Hodscha zur deutschen Kultur?
Verwurzelt in der kulturellen Identität Nein, sagt Thea Dorn, denn wer so redet, verwischt die Unterschiede zwischen dem Eigenen und dem Fremden; und nur, wer sicher auf dem Boden seiner kulturellen Tradition steht, kann das Neue suchen und das Fremde genießen, ohne seine eigene Ich-Identität in der Überforderung durch unendlich viele Möglichkeiten aufs Spiel zu setzen. Was aber noch lange nicht heißt, dass wir eine „Leitkultur“ nach der Art von Horst Seehofer brauchen. Statt dessen, so Dorn, sollte man „kulturelle Identität“ im Sinn der Wittgenstein’schen „Familienähnlichkeit“ betrachten: als Begriff, der durchlässig und wandelbar ist, produktiv unscharf, aber nicht beliebig. Ein interessanter Gedanke. In munterer Weise wechselt Dorn fortan zwischen begrifflichen Erörterungen und historischen Exkursen etwa über die schwierige Ausbildung des deutschen Nationalbewusstseins. Sie diskutiert das Verhältnis zwischen einem „aufgeklärten Patriotismus“ und dem Wunsch nach europäischer Einigung und einem kosmopolitischen Dasein; sie erteilt dem rein rückwartsgewandten Denken der „Identitären Bewegung“ eine klare Absage und der Relativierung des Nationalsozialismus sowieso; aber sie warnt auch davor, den kulturellen Reichtum der deutschen Geschichte zu vergessen und sich im wurzellosen Individualismus der neuen Internet-Kultur zu verlieren.“
Ebendort fand ich auch einen Text von
#KurtTucholski aus dem Jahre 1932:
„Ja, wir lieben dieses Land.
Und nun will ich euch mal etwas sagen: Es ist ja nicht wahr, dass jene, die sich ›national‹ nennen und nichts sind als bürgerlich-militaristisch, dieses Land und seine Sprache für sich gepachtet haben. Weder der Regierungsvertreter im Gehrock, noch der Oberstudienrat, noch die Herren und Damen des Stahlhelms allein sind Deutschland. Wir sind auch noch da. Sie reißen den Mund auf und rufen: ›Im Namen Deutschlands …!‹ Sie rufen: ›Wir lieben dieses Land, nur wir lieben es.‹ Es ist nicht wahr. […] Und so widerwärtig mir jene sind, die – umgekehrte Nationalisten – nun überhaupt nichts mehr Gutes an diesem Lande lassen, kein gutes Haar, keinen Wald, keinen Himmel, keine Welle – so scharf verwahren wir uns dagegen, nun etwa ins Vaterländische umzufallen. Wir pfeifen auf die Fahnen – aber wir lieben dieses Land. Und so wie die nationalen Verbände über die Wege trommeln – mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir, wir, die wir hier geboren sind, wir, die wir besser Deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel – mit genau demselben Recht nehmen wir Fluss und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Lichtung und Wiese: es ist unser Land. Wir haben das Recht, Deutschland zu hassen – weil wir es lieben. Man hat uns zu berücksichtigen, wenn man von Deutschland spricht, uns: Kommunisten, junge Sozialisten, Pazifisten, Freiheitliebende aller Grade; man hat uns mitzudenken, wenn ›Deutschland‹ gedacht wird …“
Kurt Tucholsky
Ich wünsche mir einen konstruktiven Diskurs zum Thema.
Danke!
Deutsch, nicht dumpf: Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten